Autonomes Posti: «Etwas unheimlich»

02.12.2017, 08:11 Uhr
· Online seit 02.12.2017, 07:17 Uhr
Ein Fahrzeug ohne Lenkrad und Chauffeur: Die Maienfelder durften am Freitag ein führerloses Postauto testen. Die Euphorie war besonders bei den jüngsten Fahrgästen gross - andere waren skeptisch.
Laurien Gschwend
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Mehrere Schulklassen und weitere Interessierte kamen am Freitagvormittag zum Grundwasserpumpwerk Maienfeld, um sich die autonomen Mobile näher anzusehen. Die Verantwortlichen mussten gar Kinder zurückhalten, da nur elf Personen im Postauto Platz haben. Im Maienfelder Industrieareal drehte der «Smart Shuttle» aus Frankreich Runde für Runde - fast geräuschlos, da er elektrisch betrieben wird.

Der 10-jährige Carlo war einer der Glücklichen, die es in den «Smart Shuttle» schafften. «Es war sehr cool», sagt er gegenüber FM1Today, «ich hatte keine Angst, da wir nicht schnell unterwegs waren». Für den Maienfelder wäre es denkbar, wenn mehr Autos und Busse selbständig fahren würden.

«Vielleicht gibt es jetzt mehr Unfälle»

«Ich habe mich sehr gefreut, das Postauto auszuprobieren», sagt Gion aus Maienfeld. Der 8-Jährige hat aber seine Bedenken, was die Zukunft der «Smart Shuttles» anbelangt: «Wenn es um die Kurve geht, könnte man meinen, man ‹tütsche› in die Pfosten. Das finde ich doof.» Er fürchtet, andere Verkehrsteilnehmer könnten «zurückspicken», wenn das Postauto abrupt hält. Die 10-jährige Shirin bezeichnet das selbständige Postauto als «etwas unheimlich». «Vielleicht gibt es jetzt mehr Unfälle», mutmasst die Maienfelderin.

Die 76-jährige Verena kam am Freitag ebenfalls nach Maienfeld, um den autonomen Shuttle kennenzulernen. «Dass es keinen Lenker gibt, ist mir nicht ganz geheuer. Ich habe diesbezüglich eher eine negative Einstellung», gibt die Churerin zu. Das sei aber eine Gewohnheitssache.

Auch die 14-jährige Tabea ist skeptisch: «Ich weiss nicht, ob ich dem Posti vertrauen kann», meint die Maienfelderin. Anders sieht es ihre gleichaltrige Freundin Emma aus Jenins: «Ich fühle mich sicher.»

«Innovatives vor der Haustüre»

Lehrer Hiroshi Wagner aus Haldenstein wollte seiner 3. Klasse am Freitagmorgen «etwas Innovatives zeigen, das direkt vor der Haustüre ist». Der 37-Jährige erwartet nicht, dass die Kinder der Technik blind vertrauen. «Sie sollen aber offen sein.»

Noch ist der «Smart Shuttle» nicht alltagstauglich, findet Wagner. «Sind die Gassen so eng wie in Maienfeld, bleibt das Fahrzeug einfach stehen.» Ausserdem fragt sich der Lehrer, was passiert, wenn jemand das System hackt. «Ich habe Bedenken, dass jemand Fremdkoordinaten eingibt.» Weiter sei es schade, dass der persönliche Kundenkontakt wegfällt.

Noch in den Kinderschuhen

«Es ist schön, dass die Region Graubünden einen solchen Shuttle ausprobieren darf», sagt Riet Denoth. Der stellvertretende Leiter der Postauto-Region Graubünden glaubt, dass führerlose Fahrzeuge in Zukunft ein gangbarer Weg sind. «Deshalb forcieren wir auch deren Tests.»

Noch stecke das Projekt in den Kinderschuhen. Es sei deshalb verfrüht, zu sagen, was bei autonomen Postautos mit den Chauffeuren passiert. «Darüber machen wir uns noch keine grossen Gedanken. Man muss zuerst schauen, wo das hinführt.»

Vertrauen schaffen

Wie Denoth ausführt, sind die Shuttles ohne Chauffeur «absolut ungefährlich». Wer einmal mitgefahren sei, könne das bezeugen. «Wir wollen, dass die Bevölkerung entsprechendes Vertrauen gewinnt.»

René Krieger, der bei Postauto Schweiz für die Beschaffung der «Smart Shuttles» zuständig ist, kann Skeptiker ebenfalls beruhigen: «Sensoren erkennen Hindernisse wie Fussgänger, Velofahrer und falsch parkierte Autos. Die Sicherheit geht vor.» Da die Shuttles nur mit 20 Stundenkilometern unterwegs sind, brauche es keine Sicherheitsgurte.

Im September 2016 kollidierte ein selbstfahrendes Postauto in Sitten mit einem Lieferwagen. Niemand wurde verletzt. Der Testbetrieb mit zwei Fahrzeugen wurde vorübergehend eingestellt, später aber wieder aufgenommen.

Gesetzesänderungen nötig

Krieger sieht «Smart Shuttles» als ergänzende Dienstleistung zum bisherigen Angebot. «Man kommt nicht drum herum, sich mit der neuen Mobilität zu befassen.» Die autonomen Mobile können nicht von heute auf morgen in den Strassenverkehr aufgenommen werden. «Die Gesetze müssen abgeändert werden», sagt Krieger. Die Schweiz stehe aufgrund des Wiener Verkehrsabkommens diesbezüglich nicht alleine da.

Die Stadt Maienfeld prüft zusammen mit verschiedenen Partnern im Rahmen eines Pilotprojektes, den «Smart Shuttle» in Zukunft auf einer definierten Route einzusetzen. Geplant wäre gewesen, in diesen Tagen die Strecke Maienfeld-Heididorf abzufahren und auszumessen, um eine Karte für das führerlose Postauto zu erstellen. «Das Wetter und die Strassenverhältnisse haben das nicht zugelassen», erklärt Riet Denoth. Die Arbeiten werden auf nächstes Frühjahr verschoben.
veröffentlicht: 2. Dezember 2017 07:17
aktualisiert: 2. Dezember 2017 08:11

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