Avenir Suisse-Studie will Post-Grundversorgungsauftrag reduzieren

21.03.2019, 11:40 Uhr
· Online seit 21.03.2019, 09:35 Uhr
Die Grundversorgung der postalischen Leistungen sollen in der Schweiz auf das in einer digitalisierten Welt nötige Niveau reduziert werden. Avenir Suisse will dafür das Restmonopol auf Briefe abschaffen, Postfinance vollständig privatisieren und Postauto verkaufen.
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Dies schlägt eine neues Forschungspapier vor, das die liberale Denkfabrik am Donnerstag veröffentlicht hat. Die Digitalisierung führe dazu, dass die angestammten Tätigkeitsbereiche von staatlichen und staatsnahen Unternehmen wie der Post zusehends schrumpften.

Obwohl weit herum anerkannt sei, dass viele Service public-Angebote in einer digitalisierten Welt immer weniger einem breiten gesellschaftlichen Bedürfnis entsprechen, sei diesbezüglich in der Schweiz «kein Reformwille spürbar», heisst es im neuen Forschungspapier von Avenir Suisse.

Wenn die Schweiz eine gesunde Post wolle, müsse sie schleunigst überlegen wie, sagte Studienautor Samuel Rutz vor den Medien in Zürich. Die strategischen Ziele des Bundesrats für die Post erachte er als «marktfern und unrealistisch». Bei der Marktöffnung des Schweizerischen Postwesens sei der Bundesrat auf halbem Weg stehengeblieben, ergänzte Avenir-Suisse-Direktor Peter Grünenfelder im Vorwort zur Studie.

Die Post drohe zu einem Sanierungsfall zu verkommen, falls keine Reformen eingeleitet werden. Mit dem veröffentlichten Papier will der Think Tank aufzeigen, warum und wie das Geschäftsmodell der Schweizerischen Post nachhaltig erneuert werden sollte.

Wettbewerbsökonom Rutz erachtet in allen drei Geschäftssparten der Post umfassende Reformen als notwendig. Er schlägt vor, die Grundversorgung zu reduzieren und technologieneutral auszuschreiben sowie das Restmonopol auf Briefe bis 50 Gramm abzuschaffen.

Das Volumen der versandten Briefe sinkt laut Avenir Suisse jährlich um zwei bis vier Prozent. Der Umsatzrückgang seit 2010 betrage rund 20 Prozent. Das Plus von 30 Prozent bei den Paketen habe die Post bis jetzt nicht in handfeste Gewinne ummünzen können, weil der Margendruck im liberalisierten Paketmarkt zu gross ist.

Zweitens sei Postfinance vollständig zu privatisieren und aus ihrem Regulierungskorsett zu befreien. Das Kredit- und Hypothekarverbot stelle zunehmend ein Risiko für das Unternehmen dar. Von der vom Bundesrat vorgeschlagenen Teilprivatisierung der Postfinance rät die Avenir Suisse-Studie dringend ab. Eine solche würde, zusätzlich zu den 24 Kantonalbanken, zu einer weiteren vollwertigen Staatsbank führen.

Der Bundesrat hatte im September 2018 eine Kehrtwende vollzogen. Er will nun, dass Postfinance Kredite und Hypotheken vergeben darf. Im Parlament sind allerdings bisher alle Vorstösse gescheitert, die eine Teilprivatisierung und die Zulassung zum Kreditgeschäft verlangten.

Auch der überholte Grundversorgungsauftrag von Postfinance im Zahlungsverkehr gehört gemäss Avenir Suisse abgeschafft. Dieser sei international einzigartig. Es sei naiv zu glauben, dass die Gewinne bei der «Cashcow» Postfinance angesichts des anhaltenden Tiefzinsniveaus bald wieder wie einst sprudeln würden, sagte Rutz vor den Medien.

Schliesslich, so die dritte Empfehlung, sei es auch Zeit, sich von den Postautos zu trennen und das Gewinnverbot im Regionalverkehr zu überprüfen. Dass ein Postunternehmen im Staatseigentum heute noch ein Bussunternehmen betreibe, stelle ein «helvetisches Unikum» dar. Der Postauto-Skandal habe beispielhaft illustriert, welche Risiken für den Staat und den Steuerzahler mit diesem Unternehmenskonstrukt verbunden seien.

Kein gutes Haar lässt die Gewerkschaft Syndicom an den Empfehlungen der Studie. Die Forderungen von Avenir Suisse seien «altbekannt und fantasielos», hiess es in einer Mitteilung. Die Reformvorschläge der Denkfabrik stünden dem von der Bevölkerung an der Urne wiederholt bestätigten Bedürfnis nach einem starken Service public diametral entgegen.

Kommunikationswege, Finanzstruktur und Logistiknetze seien zentral für das Funktionieren einer Wirtschaft und für eine selbstbestimmte Bevölkerung, lässt sich Zentralsekretär David Roth in der Mitteilung zitieren. Wer diese aus den Händen gebe, überlasse sie internationalen profitorientierten Unternehmen und begebe sich in eine unerwünschte Abhängigkeit.

Den alten Wein in neuen Schläuchen begründe Avenir Suisse lediglich neu mit dem «Killer-Argument Digitalisierung». Die Anpassung des Service public an die Digitalisierung bestehe nicht im Abbau der Grundversorgung, sondern in einem Um- oder Ausbau. Für die Post erwähnt Syndicom diesbezüglich namentlich das E-Voting oder den Online-Handel.

Die unterdessen zurückgetretene zuständige Bundesrätin Doris Leuthard hatte im Oktober 2018 im Zusammenhang mit der Digitalisierung davor gewarnt, den Kern der Grundversorgung anzutasten. Gleichzeitig hatte sie an die Politik appelliert, ihre Skepsis abzulegen. Mit mehr Regulierung lasse sich der Strukturwandel nicht aufhalten.

Dass der Sprung in die digitale Welt auch für Avenir Suisse eine Herausforderung ist, zeigte sich beim Live Stream zur Medienkonferenz. Bild und Ton stotterten und der Stream wurde angesichts der Übertragungsprobleme mehrmals offline genommen und schliesslich ganz abgebrochen.

veröffentlicht: 21. März 2019 09:35
aktualisiert: 21. März 2019 11:40
Quelle: SDA

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