Gemüse

«Angespannte Situation» – wenn Erntehelfer nicht mehr einreisen dürfen

· Online seit 24.03.2020, 05:53 Uhr
Just in einer der wichtigsten Zeiten der Gemüsebauern im St.Galler und Churer Rheintal – der Spargelernte – fehlt wegen des Coronavirus das Personal. Solidarität und Flexibilität sollen den Betrieben in der Krise über die Runden helfen.
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«Unsere Existenz ist gefährdet» – mit diesen Worten wandte sich kürzlich Gabriela Gisler von «Gisler – Churer Spargeln und Steinobst» in einem Facebook-Video an ihre Community. Grund für den Aufruf: Anfang April soll die Spargelernte beginnen, doch viele der rund 20 Helfer aus Polen können oder wollen wegen des Coronavirus nicht in die Schweiz einreisen. «Unsere einzige Hoffnung ist die Solidarität», so Gisler.

Querbeet will helfen

Die Videobotschaft hat sich gelohnt: Wie Gabriela Gisler am Montag auf Anfrage von FM1Today sagt, haben sich schon zahlreiche Personen gemeldet, die freiwillig oder für eine kleine Entlohnung Spargeln stechen wollen. «Es sind bestimmt schon über hundert Personen. Schüler, Lehrer, Künstler und Therapeuten, aber auch Leute aus der Gastronomie oder aus der Forstwirtschaft, also wirklich Querbeet.» Sogar Gesundheitspersonal wolle auf dem Hof mit anpacken – als Ausgleich zum anstrengenden Alltag in der Corona-Krise.

Es scheint, als müssten sich Gabriela Gisler und ihr Team keine Sorgen um die Existenz mehr machen. «Es ist schön, zu wissen, dass so viele Leute motiviert sind, uns zu helfen.» Auch auf dem Spargelfeld will die Firma Gisler die Hygienemassnahmen des Bundes einhalten. So arbeiten die Erntehelfer – diese dürfen nicht älter als 65 Jahre sein – mit genügend Abstand. Zudem werden die Geräte regelmässig desinfiziert.

Rund 85 Prozent des Absatzes erzielt Gisler mit dem Hofladen. Dieser wird weiter betrieben, allerdings fallen die Verkäufe an Restaurants und am Wochenmarkt weg. «Als Alternative prüfen wir nun einen Hauslieferdienst für die Risikogruppen», sagt Gisler, «damit wir unser Gemüse auf anderen Wegen unter die Leute bringen».

«Man muss sich umorientieren»

Kreativ sein, das müssen Landwirtschaftsbetriebe in Zeiten des Coronavirus, wie Armin Risch, Betriebsleiter von Risch Gemüse in Rheineck und Präsident der Gemüsevereinigung im St.Galler Rheintal, gegenüber FM1Today sagt. «Man muss sich eben umorientieren. Es finden zwar keine Märkte mehr statt und der Gastro-Kanal ist zusammengefallen, dafür ist die Nachfrage im Detailhandel und auf den Hofläden grösser.»

Risch spricht von einer «angespannten Situation». Das grösste Problem für viele Rheintaler Betriebe sei derzeit die Ungewissheit bezüglich des Personals: «Man weiss nie genau, ob die Leute nun noch ins Land kommen und pünktlich da sind. Gibt es keine Erntehelfer mehr, ist das sehr schlimm. Dann bleibt die Ernte auf dem Feld stehen und kann nicht verkauft werden.»

«Mehr als genug Leute»

Hilferufe von Bauern aus dem St.Galler Rheintal hat Risch bisher noch keine erhalten. Auch der Fahrmaadhof in Diepoldsau ist zuversichtlich, pünktlich am 10. April mit der Spargelernte beginnen zu können – solange die Grenzen für Grenzgänger geöffnet bleiben. Die bis zu 100 Personen, die der Fahrmaadhof zeitweise beschäftigt, kommen vorwiegend aus der Schweiz und dem grenznahen Vorarlberg, aber auch aus Polen und Rumänien. «Die meisten Erntehelfer sind früh genug angereist», sagt Fahrmaadhof-Geschäftsführer Simon Lässer. «Wir haben aktuell mehr als genug Helfer. Es schreiben uns sogar immer wieder Leute an, ob sie bei uns arbeiten können.»

Ein Ende der Corona-Krise ist vorerst nicht in Sicht. Trotzdem freut sich die Churer Landwirtin Gabriela Gisler bereits auf die Zeit danach: «Wir hoffen, dass die ganze Geschichte endlich etwas ruhiger wird.»

veröffentlicht: 24. März 2020 05:53
aktualisiert: 24. März 2020 05:53
Quelle: FM1Today

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