Corona-Impfung

Infektiologin: «Wir haben kaum eine Impfung, die so gut untersucht wurde»

11.11.2021, 11:45 Uhr
· Online seit 11.11.2021, 05:34 Uhr
Liegen tatsächlich mehr Geimpfte auf der Intensivstation und kann man durch die Impfung unfruchtbar werden? Rund um die Corona-Impfung tauchen nach wie vor viele Fragen auf. Die St.Galler Infektiologin Anita Niederer stellt sich 15 kritischen Fragen.

Quelle: FM1/FM1Today

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Wieso soll ich mich impfen lassen, wenn ich jung und gesund bin?

Das ist eine gute Frage, man sollte sie aber etwas anders stellen. Man sollte sich nicht fragen, ob man sich impfen lassen soll. Viel eher sollte man sich fragen, wie man seinen Körper mit dem Virus bekannt machen kann. Der Kontakt mit dem Virus wird sowieso passieren. Entweder passiert das kontrolliert mit der Impfung und man weiss, welche Nebenwirkungen auftreten können oder man macht es unkontrolliert mit der Infektion. Dann ist man aber auch noch ansteckend und kann das Virus weiterverbreiten.

Wieso soll ich das Risiko einer Impfung eingehen?

Das Risiko der Impfung ist viel kleiner als das Risiko einer Infektion. Wir wissen nicht, wer bei einer Infektion einen schweren Verlauf durchmacht. Das kann auch junge Leute treffen. Wir wissen, dass es komplizierte und schwere Verläufe gibt. Wir wissen auch, dass die Impfung im Bezug auf Nebenwirkungen sicher ist und dass sie uns sehr gut vor Infektionen schützt. Die Impfung ist aber kein Garantieschein.

Verändert der mRNA-Impfstoff meine DNA?

Die Begriffe tönen zwar ähnlich, es sind jedoch zwei völlig unterschiedliche Dinge. Die DNA ist die Erbinformation, die in unserem Zellkern liegt. Auf der DNA sind alle Informationen über uns gespeichert. Die mRNA ist eine Schablone für den Aufbau von Eiweiss im Körper. Der Körper braucht die mRNA, um zu wissen, wie er gewisse Eiweisse aufbauen muss. Das passiert aber nicht im Zellkern und nicht in der Nähe der DNA.

Was macht mRNA mit meinem Körper?

Die mRNA macht nichts mit unserem Körper. Sie ist so etwas wie eine Schablone, die man einmal braucht. Durch die Impfung kommt die mRNA in uns hinein und wird von unseren Körperzellen abgelesen und übersetzt, um Eiweisse aufzubauen. Danach brauchen wir sie nicht mehr und scheiden sie deshalb wieder aus. Das ist auch das Gute an dieser Technologie. Es bleibt nichts davon in unserem Körper übrig.

Ist man durch eine natürliche Immunisierung besser geschützt als durch die Impfung?

Das ist nicht so. Bei der natürlichen Infektion gibt es grosse Unterschiede betreffend Schutz. Je nachdem, wie hoch die Virenlast war und was unser Immunsystem damit gemacht hat, kann der Schutz unterschiedlich stark sein. Bei der Impfung wissen wir genau, was wir zu erwarten haben. Und wir wissen, dass sie einen sehr guten Schutz gibt.

Wenn Sie mit dem heutigen Wissensstand einen Impfstoff für sich wählen könnten, welcher wäre das?

mRNA – das ist ganz klar. Das ist das Genialste, was wir, seit ich Medizin mache, in der Prävention und Impfwissenschaft haben. Wir konnten nur davon träumen, jemals etwas so Gutes zu haben. mRNA ist das Natürlichste, was man sich vorstellen kann. Nichts Fremdes wird in unserem Körper aktiviert. Das ist überzeugend und ich denke, das ist die Zukunft.

Kann man durch die Impfung unfruchtbar werden?

Nein, ganz klar nicht. Diese Annahme ist durch eine Behauptung einer Person auf Social Media entstanden, die gesagt hat, dass die Antikörper, die durch die Impfung produziert werden, ein Eiweiss in der Plazenta angreifen. Das ist absoluter Schwachsinn und ergibt keinen Sinn. Dann müssten auch alle Personen, die eine Infektion durchgemacht haben, unfruchtbar werden, denn die haben teils noch viel mehr dieser Antikörper in sich.

Wie häufig müssen Personen wegen Impf-Nebenwirkungen ins Spital?

Es kommt vor, dass man Fieber und Gliederschmerzen nach der Corona-Impfung bekommt. Das passiert bei fünf bis zehn Prozent der Geimpften. Die Ausprägung der Symptome ist sehr unterschiedlich. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem jemand wegen der Impfung ins Spital eingewiesen werden musste. Es ist aber sicher nicht ausgeschlossen, dass sich jemand mit hohem Fieber im Spital behandeln lässt. Die Impfung ist aber sicher nicht gefährlich.

Frankreich und Deutschland raten jungen Personen von der Moderna-Impfung ab. Wieso die Schweiz nicht?

Es gibt ein ganz kleines Risiko bei unter 30-Jährigen, nach einer Impfung eine Herzmuskelentzündung zu bekommen. Das Risiko ist mit einer Moderna-Impfung möglicherweise ganz wenig höher. Das ist aber kein Grund, einen Unterschied zwischen den beiden Impfstoffen zu machen, da es in jedem Fall ein sehr seltenes Ereignis ist.

Die Spätfolgen einer Impfung kann man noch gar nicht abschätzen. Wie kann man sagen, dass die Impfung sicher ist?

Man weiss nie, was in mehreren Jahren passiert. Wegen der Impfung wird aber nichts passieren. Der Impfstoff kommt in den Körper, wird übersetzt und wieder abgebaut. Es ist nicht zu erwarten, dass in zwei oder drei Jahren etwas übrig bleibt.

Ist es nicht wahrscheinlicher, eine Autoimmunerkrankung durch die Impfung zu bekommen als einen schweren Verlauf einer Corona-Erkrankung durchzumachen?

Nein, ganz klar nicht. Die Behauptungen mit der Autoimmunerkrankung hört man immer wieder, aber es gibt keine Hinweise dafür. Hingegen wissen wir, dass es schwere Verläufe der Infektion gibt.

Liegen tatsächlich mehr Geimpfte auf den Intensivstationen als Ungeimpfte? 

Das ist schlichtweg falsch. Ich kenne die Zahlen von uns in St.Gallen. Die absolute Mehrheit auf den Intensivstationen hat keine oder nur eine Impfung. Praktisch niemand ist vollständig geimpft.

Stimmt es, dass bereits Personen an der Impfung gestorben sind?

Nein, bisher konnte man keinen Todesfall in direkte Verbindung mit der Impfung bringen. Es sterben jedoch immer Leute nach der Impfung. Das ist so, weil jeden Tag Leute sterben, an diversen Ursachen, und wenn wir ganz viele Leute impfen, sterben gewisse auch nach der Impfung, aber nicht wegen der Impfung. Diese Fälle werden aber natürlich genau untersucht. Bis jetzt konnte kein einziger Todesfall ursächlich auf die Impfung zurückgeführt werden.

Die Impfung ist zu wenig getestet und es handelt sich um eine Notfallzulassung. Stimmt das?

Bei uns in der Schweiz gibt es keine Notfallzulassung, es handelt sich um eine reguläre Zulassung der Impfstoffe. Die Impfung wurde extrem gut untersucht. Wir haben kaum eine Impfung, die so gut untersucht wurde, wie diese.

Wie ist es möglich, dass ein Impfstoff überhaupt sicher ist, der so schnell entwickelt wurde?

Der Impfstoff wurde nicht so schnell entwickelt, wie viele denken. Die Forschung an der Technologie ist bereits über 20 Jahre alt. Es wurde alles sehr gut erforscht. Man war bereit dafür, doch niemand nahm Geld in die Hand, um die Studien durchführen zu können. Dann kam Corona und das Geld und die Motivation waren da. Dann ging es plötzlich schnell.

Das ganze Interview gibt es hier als Podcast

Quelle: FM1/FM1Today

veröffentlicht: 11. November 2021 05:34
aktualisiert: 11. November 2021 11:45
Quelle: FM1Today

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