Turnverein-Entzug

So bringst du das Turnfest nach Hause

29.04.2020, 13:21 Uhr
· Online seit 24.04.2020, 13:55 Uhr
Es gibt eine Zeit, die ist jedem Turner heilig. Die Zeit zwischen April und Sommerferien – wenn die fröhliche Turnerschar von Turnfest zu Turnfest zieht, Meisterleistungen erbringt und darauf in der Dusche mit einem Harass Most feuchtfröhlich anstosst. Aus feuchtfröhlich wird dieses Jahr nichts. Wegen Corona muss das Turnfest zu Hause stattfinden – und so funktioniert's.
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Es nervt, macht hässig und auch ein bisschen traurig. Das Coronavirus dauert, strapaziert die Geduld und verändert den Alltag vieler komplett. So beispielsweise den der Turnenden, für die die Halle fast schon eine Zweitwohnung und die Turnvereingspänli eine Familie sind. Viele hatten gehofft, dass das Coronavirus pünktlich zur Turnfestsaison vorbei sein würde – leider wurden aber alle Wettkämpfe bis im Sommer abgesagt. Statt laut in das schnupfverschmierte Taschentuch zu schnäuzen und die Tränen mit den verstaubten Grätschüeli zu trocknen, holen wir uns das Turnfest in die eigene Stube.

1. Anreise – nackte Bierbäuche und Zöpflifrisuren

Ich muss zugeben, dass ich bei der Recherche zu diesem Artikel und dem damit verbundenen tiefen Einsinken in die Erinnerungen an die schönen, vergangenen Feste, feuchte Augen bekommen habe. Aber wir schaffen das. Und der erste Schritt eines jeden Turnfestes ist die Anreise. Für alle Auswärtigen: Ja, für uns Turnenden ist schon die ein Highlight. Was in der Stube sehr gut adaptiert werden kann, ist der Tenpack Bier, der dem Turnenden stets zu Füssen liegt. Um die Carfahrt zu simulieren, können einfach mehrere Stühle hintereinander platziert werden und Fenster gibt es ja auch in der Wohnung. Das gelegentliche Heben des Bieres oder T-Shirts bei vorbeifahrenden Autos kann man(n) auch in die Stube verlegen. Und für alle Frauen: Da derzeit sämtliche Coiffeure geschlossen sind, kann auch der Freund, Mann oder Papi für Zöpflifrisuren hinhalten.

2. Synchronturnen mit dem Kissen

Das mit dem Turnen in der Stube ist für viele Turngattungen schwierig – kann sich wohl kaum jemand einen Barren oder ein Ringgerüst finanziell und platztechnisch neben Bügelbrett und Ausziehsofa leisten. Natürlich sind all die Zoom-Video-Trainingseinheiten gut und recht, sie können aber niemals das Gefühl ersetzen, das einen Turner überkommt, wenn er den Wettkampfsplatz betritt. Nervosität gemischt mit Vorfreude – ein Gefühl von Zusammenhalt, wie ich es sonst selten erlebe. Auch wenn es «nur» Wettkämpfe sind, möchte jeder einzelne sein bestes für das Team geben.

Um dieses Gefühl wenigstens ein bisschen in die eigenen vier Wände zu bringen: Schaut euch doch auf dem grossen Fernsehbildschirm eure Leistung eines vergangenen Wettkampfes an. Spürt, wie sich eure Zehenspitzen von allein strecken und turnt im Geiste mit. Nur schon die Musik kann das kribbelige Gefühl vor dem Wettkampf zurückbringen. Und um die physische Anwesenheit der Turngspänli zu kompensieren, kann beispielsweise das Kissen oder die Katze für Synchronübungen, das anschliessende Abklatschen oder innige Umarmungen gebraucht werden. Vielleicht steht dem Haustier ja auch das Turndress ganz hervorragend?

Quelle: FM1Today

3. Duschen mit Bier und den Nachbarn

Ja, ich habe in meiner Wohnung schon ein Bier mit in die Dusche genommen. Gewohnheiten lassen sich schlecht ablegen, auch wenn die Umgebung dazu fehlt. Zu jedem Turnfest gehört nicht nur ein Harass Bier oder ein Chlöpfmoscht in der Dusche, sondern auch, dass es sich manchmal nicht vermeiden lässt, mit dem anderen Geschlecht eine Nasszelle zu teilen. Deshalb macht es wie mein Turngspänli: «Wir waren gestern mit den Nachbarn duschen. Ein bisschen Turnfest-Feeling», schrieb er mir mit einem Augenzwinker-Emoij. Bitte denkt aber dabei daran, die Schutzmassnahmen des Bundes einzuhalten: Mehr als fünf Personen dürfen sich nicht gleichzeitig beträufeln lassen und das mit dem Trinken aus derselben Sektflasche sollte aktuell unterlassen werden.

4. Einlass nur mit Essensbon

Was vermutlich viele weniger vermissen, ist das Anstehen für die Essensausgabe. Wer dennoch Sehnsucht nach Riz Casimir oder Penne mit Tomatensauce hat, kann sich auch selbst farbige Essensbons basteln und die Mitbewohner nur nach Vorweisen des Essensbons von der gemeinsamen Spätzlipfanne essen lassen.

Um die Platzverhältnisse in einem Festzelt zu improvisieren, kann in Zukunft zu zweit auf einem Stuhl Platz genommen werden.

5. Jägermeister, Schnupf und die Fäaschtbänkler

Das mit dem Sitzen erübrigt sich spätestens nach dem dritten Bier – denn auch ein Stuhl, ein Sofa oder ein Klappbett können zur Festbank werden. Das Fest an sich ist, was die Infrastruktur angeht, zu Hause keine grosse Herausforderung.

Ein Schnupf, ein Jägermeister, eine Fäaschtbänkler-Playlist und das Wohnzimmer ist «on fire». Wobei ich leider durch den Turnfest-Entzug nicht weiss, welche Partykracher und Schnäpse dieses Jahr angesagt sind.

Die persönliche Garderobe beinhaltet, Homeoffice sei Dank, sowieso nur noch den Trainingsanzug und die Schlafsack-Bekanntschaft kann sehr gut mit einer offenen Schnapsflasche ersetzt werden – die riecht vermutlich etwa gleich.

Es gibt aber tatsächlich etwas, das sich trotz Corona-Krise genau gleich anfühlen wird, wie während einer «richtigen» Turnfestsaison: Der Kater danach und dieser lässt sich bekanntlich nur bekämpfen, in dem zur Kiste, die zu Füssen jedes Turnenden steht, gegriffen wird.

6. Die Sehnsucht bleibt

Ein Turnfest lässt sich auch in der Stube nachspielen. Aber ganz ehrlich: Wer will das schon? Denn das, was das Turnen ausmacht, sind doch die persönlichen Kontakte? Ich vermisse das Turnen und kann es kaum erwarten, wieder mit einem Bier in der Dusche auf Erfolge und Misserfolge anzustossen. Denn wenn es zwei Dinge gibt, die Turner immer haben, dann sind das Durst und einen Grund zum Feiern. Darum werde ich weiterhin ins schnupfverschmierte Taschentuch schnäuzen und mir mit den verstaubten Grätschüeli die Tränen aus dem Gesicht wischen.

Übrigens: Es gibt derzeit zahlreiche Instagram-Challenges für Turnende. Beispielsweise die Impossible-Challenge, bei der sich die Personen im Handstand das T-Shirt anziehen müssen:

Oder dasselbe umgekehrt: Das Ausziehen der Trainerhosen im Handstand, wie hier die US-Kunstturnerin Simone Biles:

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

handstand challenge 💯

Ein Beitrag geteilt von Simone Biles (@simonebiles) am

Der STV Eschenbach wurde für die #trainathomechallenge nominiert:

Wie vertreibt sich euer Turnverein oder du als Turnerin oder Turner die Zeit? Schickt uns eure Videos oder Bilder eures Trainings oder Zeitvertreibs während der Corona-Krise per Mail an redaktion-fm1today@chmedia.ch oder per Whatsapp an +41 79 155 60 98.

Quelle: FM1Today

Quelle: zVg

veröffentlicht: 24. April 2020 13:55
aktualisiert: 29. April 2020 13:21
Quelle: FM1Today

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