Mit Fake-News

So verarscht Youtuber «Sputim» die Skeptiker-Szene

30.09.2021, 08:51 Uhr
· Online seit 30.09.2021, 07:05 Uhr
Er wurde mit Spongebob-Parodien auf Youtube bekannt. Jetzt meldet sich «Sputim» zurück. Und zeigt, wie einfach sich die sogenannte Skeptiker-Szene täuschen lässt.

Quelle: PilatusToday

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Der Artikel: Angebliche «schwere und irreparable» Impfschäden bei Kindern nach verabreichter mRNA-Impfung. Vernarbte Lungen, weisser Auswurf und sogar explodierende Köpfe. Was klingt wie aus einem Horrorfilm, ist auch so: komplett erfunden.

Die Leserinnen und Leser: 500'000 Personen. An so viele Menschen wurde der Fake-Artikel über verschiedene Kanäle fleissig weiterverschickt.

Der Autor: Der Youtuber «Sputim», den viele noch aus seinen «Spongetrim Budalkopf»-Videos kennen.

Was ist passiert?

Sasha, wie «Sputim» im echten Leben heisst, wird in seinem Umfeld immer mehr mit bekannten Verschwörungstheorien konfrontiert. «Es ging um Chemtrails, 5G und 9/11. Später kam dann Corona als Thema dazu», erzählt Sasha im Gespräch.

Sasha macht, was viele Verschwörungsgläubige immer wieder fordern: Er beginnt zu recherchieren. Er liest sich in den einschlägigen Seiten und Kanälen ein und findet wenig Glaubwürdiges vor, wie er sagt. «Die meisten Skeptiker-Seiten recyclen untereinander die gleichen Inhalte. Seriöse Quellen findet man selten, meistens wird einfach auf englischsprachige Skeptiker-Seiten verwiesen», erzählt Sasha. Zudem würden viele der Webseiten über kein vollständiges Impressum verfügen, nur selten sehe man, wer sich hinter den Inhalten versteckt. Sasha wird stutziger. Der Winterthurer will testen, wie skeptisch die selbsternannten Skeptiker wirklich sind.

Das «Sputim-Krankheitsbild» – klingt plausibel, finden Querdenker

Er meldet sich in der Telegram-Gruppe «Impfschäden Schweiz Coronaimpfung» (31'000 Mitglieder) an und berichtet von wichtigen Insider-Infos aus der Pharmabranche. «Genimpfungen... Kinder, die gelben Auswurf aushusten... vernarbte Lungen», sind nur ein paar Stichworte. Ein neues Krankheitsbild namens «Sputim» – natürlich absolut erfunden. So viel Absurdität. Davon können sich gut informierte und kritische Skeptiker doch nicht täuschen lassen, oder?

Nur kurze Zeit später teilt die Administratorin die Sputim-Geschichte mit 30'000 Gruppenmitgliedern – ungefiltert. «Sie hat meine Geschichte weder geprüft noch überhaupt nachgefragt», so Sasha. Überrascht von so viel Nicht-Skepsis in der Skeptiker-Gemeinde will er noch einen Schritt weitergehen.

Aus Sputim wird «Lichtmacher»

Sasha erstellt seine eigene Verschwörungs-Webseite, lichtmacher.info. Weniger als einen Tag benötigt er dafür, Logo inklusive. Um seine Seite glaubhafter erscheinen zu lassen, kopiert er Inhalte englischsprachiger Webseiten und lässt diese durch ein Übersetzer-Tool laufen.

Anschliessend haut er selber in die Tasten und verfasst einen Artikel über angebliche schwere Impfschäden nach mRNA-Impfungen bei Kindern. Krankhaftes Husten und sogar explodierende Körperteile, so die angeblichen Folgen des «Sputim-Syndroms». «Es sind schon genug Eltern ins Kinderzimmer gekommen, um lediglich auf eine Blutlache zu treffen», schreibt der «Lichtmacher».

Die Quellen, die Sasha in seinem Artikel angibt, haben rein gar nichts mit dem Inhalt zu tun und stammen fast alle von unseriösen Seiten. «Ich wollte aufzeigen, wie wenig in dieser Szene hinterfragt wird», erklärt Sasha.

Xavier Naidoo und Ärzte-Netzwerk berichten von «Sputim»

Und wieder dauert es nicht lange. Xavier Naidoo, der immer wieder Verschwörungsbehauptungen in die Welt gesetzt hat, teilt den Artikel mit seinen über 100'000 Abonnenten und auch «Ärzte für Aufklärung», ein Kollektiv von Ärztinnen und Ärzten, das sich gegen Impfungen einsetzt, verbreitet die Fake-Nachricht unter den rund 90'000 Followern – unhinterfragt.

Der Artikel über die schweren Sputim-Schäden geht in der «Skeptiker»-Szene viral. Über eine halbe Millionen Menschen sehen den Artikel, wie Sasha sagt. Er geht davon aus, dass die Zahl noch viel höher ist.

«Will aufzeigen, wie leichtgläubig die Szene ist»

Sasha hat sein Ziel erreicht. «Ein Secondo, der die Sek B besuchte, hat es für fünf Franken geschafft, tausende Menschen dazu zu bringen, Unwahrheiten unhinterfragt zu konsumieren», erzählt er in seinem Video.

Wie kann es sein, dass eine Szene, die von sich behauptet, den sogenannten Mainstream zu hinterfragen, so leichtgläubig mit offensichtlichen Falschinformationen umgeht? Neben ideologischer Verblendung vermutet Sasha dahinter auch finanzielle Interessen der Betreiber. «Während viele Seiten kein Impressum haben, verfügen die meisten über Spendenlinks.» Die Betreiber würden ihren Anhängern möglichst viele Inhalte servieren, die diese hören wollen, um möglichst viele Menschen anzusprechen, die bereit sind, für «unabhängige Berichterstattung» Geld zu spenden, so Sasha.

So habe ein bekannter Kanal, der von angeblichen Impfschäden in der Schweiz berichtet, nachweislich bereits über 20'000 Franken in Bitcoin erhalten. Ein lukratives Geschäft, wenn man sieht, wie unprofessionell gewisse Inhalte fabriziert werden. «Schlussendlich habe ich mir viel zu viel Mühe gegeben», erzählt Sasha. Er ist überzeugt: Auch mit halb so viel Aufwand hätte «Lichtmacher» die Szene hinters Licht führen können.

Wie «Sputim» genau vorgegangen ist, siehst du im Video oben.

veröffentlicht: 30. September 2021 07:05
aktualisiert: 30. September 2021 08:51
Quelle: PilatusToday

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