Der Mercedes-Höhenflug und was dahinter steckt

24.05.2019, 10:20 Uhr
· Online seit 24.05.2019, 09:54 Uhr
Mercedes ist nicht nur dank überragender Technik der Primus in der Formel 1. Den Erfolg garantiert auch der gegenseitige Respekt der Fahrer. Die Chefs hoffen auf eine Harmonie mit Langzeitwirkung.
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Die Formel 1 ist nicht die Welt der Sentimentalitäten. In dem von Egoismus, Neid und Rücksichtslosigkeit geprägten Zirkus ist im Normalfall kein Platz für Mitgefühl. In Monte Carlo ist dieser Tage aber nichts normal. Die Formel 1 trauert. Wenige Tage nach dem Tod von Niki Lauda verbietet die Pietät, gradlinig zur Tagesordnung überzugehen. Die Wertschätzung für und der Respekt vor einem der prägendsten Vertreter dieses Sports sind allseits zu gross.

Veranstalter und Teams, alle gedenken sie im Fürstentum in irgend einer Form des verstorbenen Österreichers. Nahe geht sein Tod selbstredend den Angestellten der Equipe von Mercedes, deren Chef er während sieben Jahren als Vorstandsvorsitzender der Motorsport-Abteilung war. «Danke Niki» sowie die Unterschrift von Lauda sind an den beiden silbernen Autos angebracht. Zu verdanken haben sie bei Mercedes Lauda einiges, unter anderem die Verpflichtung von Lewis Hamilton. Den Engländer beschäftigt das Ableben des Wieners besonders. Am Mittwoch sah er sich ausserstande, an der offiziellen Medienkonferenz teilzunehmen.

Respekt hat in der Truppe von Mercedes nicht nur einen traurigen Hintergrund. Respekt steht auch für Bitte, Forderung, Vorgabe. Das Wort ist seit Wochen im und rund ums Team fester Bestandteil des Vokabulars.

In Kommentaren, Einschätzungen und Prognosen dreht sich sehr vieles um Respekt, wenn medial über das interne Duell zwischen Hamilton und Valtteri Bottas berichtet wird. Da wird zwangsläufig die Frage in den Raum gestellt, ob das gute Einvernehmen der beiden mit Fortdauer der Saison und in einem sich zuspitzenden Zweikampf um den WM-Titel Bestand haben wird. Oder ob die Fairness nicht irgendwann auf der Strecke bleibt. Oder die Zurückhaltung nicht bald einmal überhöhtem Risiko Platz macht. Oder der Egoismus nicht über das Gemeinwohl des Teams gestellt wird.

Bei Mercedes sehen sie (noch) keinen Grund zur Beunruhigung, zumal in einer bisher über Erwarten gut verlaufenen Saison. Führungskräfte und Fahrer wiegeln gleichermassen ab. Alle heben sie das professionelle Verhalten hervor. Die Rivalität ist bis heute ohne jedes Scharmützel geblieben. «Valtteri und ich bringen seit jeher grossen Respekt füreinander auf. Wir sind echte Gentlemen», sagt Hamilton. «Es passt für alle. Der gegenseitige Respekt steht über allem», sagt Bottas. «Es tut gut, sie sauber und respektvoll gegeneinander kämpfen zu sehen», sagt Teamchef Toto Wolff.

Gleichwohl ruft Wolff bei jeder Gelegenheit den internen Verhaltenskodex in Erinnerung. «Wir würden es nicht erlauben, dass sich die Beziehung zwischen Valtteri und Lewis auf ein Niveau verschlechtert, das einen negativen Effekt auf das Team hat.» Wolf weiss natürlich sehr wohl, wie schnell der Wind drehen kann. Die Erinnerung an die Zeit, als Nico Rosberg an der Seite von Hamilton fuhr, als aus Jugendfreunden erbitterte Feinde wurden und sich die beiden oft fern jeder Logik bekämpften, ist stets präsent.

Die Kollisionen vor fünf Jahren in Belgien und vor drei Jahren in Spanien und in Österreich sind prägende Mahnmale. Nicht nur für Wolff, offenbar auch für Hamilton. «Vor drei Jahren haben sich Dinge zugetragen, die ihr nicht wisst.» Einzelheiten wollte der fünffache Weltmeister nicht verraten. «Vielleicht schreibe ich nach dem Karrierenende ein Buch darüber.» Eine Wiederholung der damaligen Zustände schliesst der Engländer kategorisch aus. «Erwartet nicht, dass es noch einmal so weit kommen wird.»

Die Beteuerungen klingen glaubhaft. Und doch gibt es Anzeichen, dass der Burgfriede nicht ewig halten könnte. Wenn Hamilton sagt, so nett wie im Grand Prix von Aserbaidschan, als er beim Start Bottas die Führung praktisch geschenkt habe, werde er nicht mehr sein, tönt das nach Kampfansage. Und wenn er sagt, dass er nicht versichern könne, dass alles so harmonisch weiterlaufen werde, lässt das Raum für Interpretationen. «Ich weiss nicht, was im Lauf des Jahres geschehen wird. Ich kann nicht beurteilen, ob sich der Charakter des einen oder anderen verändern wird.»

Monte Carlo wäre der falsche Ort für veränderte Charakterzüge und unüberlegtes Handeln. Dafür ist der Strassenkurs zu eng. Und der Respekt vor Niki Lauda zu gross.

veröffentlicht: 24. Mai 2019 09:54
aktualisiert: 24. Mai 2019 10:20
Quelle: SDA

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