Der Stadtrat zügelt in den Stadtpark

· Online seit 09.08.2018, 06:46 Uhr
Im Churer Stadtpark war heute eigentlich alles so wie immer. Bis auf den kleinen aber feinen Unterschied, dass Stadtrat Tom Leibundgut sein Büro darin eingerichtet hat. Der Grund: Für einmal nicht die Hitze.
Dario Brazerol
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Er liegt versteckt hinter Mauern inmitten von Chur: der Stadtpark. Lange wurde dieser von den Churerinnen und Churern gemieden. Verwahrlost, ungemütlich, gefährlich. Ein Ort, an dem sich die Randstämmigen der Gesellschaft treffen. Alkohol und Drogen werden dort offen konsumiert. Stadtpark-Idylle geht anders. Und doch; heute hat sich ein bekanntes Gesicht in den Park verirrt und dort sogar sein Büro aufgestellt: Stadtrat Tom Leibundgut.

Drucker, Kaffeemaschine, Sonnencreme

Auf den ersten Blick mag das Büro auf Zeit des Churer Stadtrates eher an ein Festival-Pavillon erinnern. Unter zwei Zelten steht ein langer Tisch, darauf ein Drucker, eine Kaffeemaschine und zwei Laptopts. Die Sekretärin von Tom Leibundgut vertröstet mich, der Stadtrat würde sich um ein paar Minuten verspäten weil er bei einer Sitzung sei. Rund um das Büro herum erstreckt sich das gewohnte Bild des Stadtparks: In einer Ecke steht eine Gruppe von Leute zusammen im Schatten eines Baumes, vereinzelt kommen Spaziergänger hinein, ansonsten herrscht kein reges Treiben. Nach ein paar Minuten kommt ein Mann auf einem Velo angefahren. Der Stadtrat höchstpersönlich.

«Wir arbeiten hier wirklich», sagt Tom Leibundgut. «Nebenbei gibt es viele Besucher, welche Anregungen und Wünsche anbringen.» Tatsächlich scheint es so, dass die Leute es zu schätzen wissen, dass der Stadtrat die Nähe zum Volk sucht. Immer wieder kommt jemand vorbei und bittet um ein Gespräch mit dem Stadtrat. Der eigentliche Sinn des Büros im Freien ist aber ein anderer: «Jahrzehntelang  hat man im Churer Stadtpark nichts gemacht und darum braucht es jetzt auch wieder Ideen und Ansätze, wie man die Leute hier her locken kann. Eine davon ist es, dass ich hier einen Tag lang arbeite. Bei diesen Temperaturen ist es gar nicht so unangenehm, rauszukommen.»

Schlechtes Image soll aufpoliert werden

Erst vor drei Monaten wurden die Umbauarbeiten im Stadtpark abgeschlossen. Der Rasen wurde erneuert, alte Bäume mussten weichen. Das verwahrloste Bild des Stadtparks hat sich jedoch in den Köpfen der Churer eingebrannt. Doch nicht nur das Erscheinungsbild schreckte die Besucher bisher ab: «Es ist auch der Park, in dem Randgruppen ihr Zuhause haben. Das ist auch noch heute so und darf auch so sein. Beides zusammen war etwas viel für die Leute, um sich hineinzuwagen. Inzwischen ist es hell und freundlich. Man darf auch aufzeigen, dass die Leute von der Randgruppe nicht beissen.»

Allerdings dürfte es laut Tom Leibundgut noch eine Weile dauern, bis der Park wieder «besiedelt» wird: «Die Leute brauchen immer ein bisschen länger, bis sie etwas wieder besetzen. Wir sind nicht unzufrieden mit dem bisherigen Resultat. Weil der Park aber so lange nicht im Bewusstsein der Churer war, muss man ihnen diesen näher bringen.» Dazu beitragen soll aber nicht nur der Stadtrat im Park, sondern auch Yoga- und Cross-Fit-Kurse, Konzerte oder die Freilichtspiele.

Auch der Stadtrat selbst, will sich in Zukunft vermehrt als Privatperson blicken lassen: «Ich wohne in der Nähe und habe zwei Hunde. Von daher bietet es sich an, mehr herzukommen. Mir gefällt der Park einfach.» Zum Schluss meiner Audienz beim Stadtrat muss aber noch eine Frage geklärt werden. Wird hier wirklich Werbung für den Park oder doch für die Person betrieben? «Es geht klar um den Park. Wahlen stehen zur Zeit ja keine an.»

veröffentlicht: 9. August 2018 06:46
aktualisiert: 9. August 2018 06:46

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