Du arbeitest, wie du sitzt
Schau dich mal im Büro um: Wie arbeiten deine Kollegen? Da gibt es bestimmt jene Mitarbeiterin, die immer kerzengerade vor ihrem Computer sitzt. Oder einen, der immer fast unter seinen Schreibtisch zu rutschen droht, weil er beinahe liegend telefoniert. Aber wusstest du, dass die Sitzposition deiner Kollegen auch etwas über deren Motivation und Arbeitsmoral aussagen kann?
Eine Fachfrau auf dem Gebiet der Körpersprache ist Antoinette Anderegg. Die Expertin und Trainerin für nonverbale Kommunikation beim Unternehmen Nonverbales.ch betont jedoch, dass das Deuten von Sitzpositionen und das Ableiten der Arbeitsmoral eine komplexe Angelegenheit sei. Denn um eine Haltung umfassend deuten zu können, würde eine ganze Reihe an Informationen benötigt. «Zum Beispiel können die Sitzdauer, der Komfort des Sitzmöbels, die physische Befindlichkeit des Arbeitenden, allfällige Gebrechen oder auch räumliche Gegebenheiten wie die Bürogrösse einen Einfluss auf die Sitzhaltung haben», erklärt Anderegg. Zudem würden auch die Erwartungen an den Arbeitenden, der Druck, seine hierarchische Position innerhalb der Firma und seine Rolle im Team über die Sitzhaltung mitentscheiden.
«Wichtig ist bei der Deutung auch, dass es sich bei jeder Sitzposition nur um eine Momentaufnahme handelt. Weshalb auch nur etwas über genau diesen Augenblick ausgesagt werden kann und keine generelle Aussage seriös wäre», betont Anderegg. Dazu komme, dass die Haltung nur ein Teil der Körpersprache sei – ein weiterer Teil sei die Mimik. Eine Haltung könne, je nachdem, mit welchem Gesichtsausdruck sie gepaart sei, ganz unterschiedlich interpretiert werden.
Körpersprache-Expertin Antoinette Anderegg hat für uns verschiedene Sitzpositionen analysiert und erklärt nun, was sie über den Arbeitenden aussagen könnten:
Kerzengerader Rücken
Der Pflichtbewusste
In dieser Haltung hindert sich die Person daran, einfach wegzugehen und die Arbeit zu unterbrechen. Sie will in nächster Zeit weder psychisch noch physisch flüchten. Im Gegenteil: Sie schiebt sich nach vorn zur Arbeit hin und lässt sich pflichtbewusst, konzentriert, zu hundert Prozent, ohne allzu grossen Stress auf die Arbeit ein.
In Rücklage
Der Widersprüchliche
Die Person muss, will aber nicht. Auffällig ist der Widerspruch zwischen Körper und Kopf. Der Kopf wird nach vorne gereckt, der Körper aber bleibt schlaff liegen. Es herrscht also Ambivalenz. Jeder, der versucht, so eine Haltung für längere Zeit einzunehmen, hätte danach dringend eine Nackenmassage nötig!
Verkrampft
Der Leider
Verkrampfung ist immer Zeichen von Unwohlsein. Die Person versucht, ein Detail besser zu sehen. Es stellt sich die Frage: Sieht sie nicht gut? Ist sie krampfhaft detailversessen? Oder versteht sie etwas nicht, das sie verstehen müsste? Auf jeden Fall steht sie nicht «über der Sache».
Mit den Füssen auf dem Pult
Der Coole
Diese Haltung wird vermehrt von Männern in statushohen Positionen eingenommen. Eine solche Sitzposition wählt nur, wer sich für ziemlich gut und cool hält. Dieser Arbeitende erweckt den Anschein, als würde er alles so «nebenbei» erledigen. Wer so sitzt, nimmt viel Raum ein und erlaubt sich Dinge, welche die Grenzen des guten Benehmens überschreiten.
Kniend
Der Versunkene
Die Person verhält sich, als wäre sie mit sich selbst und dem Bildschirm allein. Beobachter werden ausgeblendet, sind sehr vertraut oder kaum da. Aussagekräftig ist die erhöhte Körperspannung und das «Hineinkriechen» in den Bildschirm. Die Person ist voll fokussiert, versucht, sich einer Aufgabe anzunähern. Sie hat ein schwieriges Problem zu lösen und ist dabei, das, was sie sieht oder liest, äusserst kritisch zu beurteilen. Die Hand auf dem Kinn bestätigt diese Theorie. Die angewinkelten Beine entlasten den Rücken, sind aber auch Zeichen dafür, dass die Person versucht, physische und/oder psychische Spannung zu regulieren.
Auf einem Sitzball sitzend
Der Körperzentrierte
Dieser Arbeitende achtet auf seine Gesundheit. Er lässt nicht zu, dass die Arbeit ihn schädigt. Die Sitzhaltung auf dem Ball verlangt aber auch einiges an Balance und nimmt einen Teil der Konzentration in Anspruch und erhöht die Spannung – auch im Gesicht.
Stehend
Der Flieger
Wer stehend arbeitet, strahlt Flexibilität und Dynamik aus. Das Stehen gibt «Spielraum», weil es einem erlaubt, schnell wegzugehen. Die Arme können nicht abgestützt werden, sodass die Hände hier schwerelos über die Tasten «fliegen» können. Ausruhen wird hingegen schwierig. Diese Arbeitsposition kann je nach Arbeitsablauf funktional sein, etwa wenn schnell etwas erledigt werden muss. Da die Haltung aber auch rückenschonend ist, kann es auch sein, dass sich die arbeitende Person deshalb dafür entschieden hat.
Beinahe liegend
Der Lässige
Diese Haltung wird vermehrt von jungen Männern eingenommen. Auffällig sind die Schlaffheit des Körpers, die ausgestreckten Beine und die Distanz zum Bildschirm. Je nachdem können Routine («Ich weiss eh, wie es geht»), Langeweile, Lustlosigkeit oder Desinteresse diese Haltung bestimmen. Oberflächlich gesehen meint man, hier einen vollkommen unmotivierten Mitarbeiter zu sehen. Aber Achtung: Es ist nämlich absolut möglich, in dieser Haltung fokussiert zu arbeiten. Hier braucht es mehr Informationen, um an die richtige Interpretation zu gelangen, wie zum Beispiel: In welchem Tempo arbeitet die Person? Wie leicht lässt sie sich ablenken? Was für eine Mimik hat die Person?