«Durch mich kam er zum Bergsteigen»

29.11.2017, 21:28 Uhr
· Online seit 29.11.2017, 20:56 Uhr
Roberto Maschio ist selber Bergsteiger und ein Freund des Thurgauers, der im Säntis-Gebiet vermisst wird. Er findet, dass Bergtouren auch im Winter vertretbar sind und regt sich deshalb über negative Äusserungen von unbeteiligten Personen auf.
Fabienne Engbers
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Tagblatt/Maria Kobler-Wyer

Seit Mitte November wird im Säntis-Gebiet ein 25-jähriger Thurgauer vermisst. Nachdem die Suche mit Drohnen, Hunden und Helikopter erfolglos blieb, wurde die Suche eingestellt. Am Mittwoch hat sich Roberto Maschio, ein Freund des Vermissten, mit einem Leserbrief im St.Galler Tagblatt zu Wort gemeldet. Er ärgerte sich darin über öffentliche Äusserungen wie «Im Winter geht man nicht auf den Säntis» oder «Selber schuld». «Diese Personen haben anscheinend keine Ahnung vom Winter-Bergsteigen», sagt Maschio. Er ist selber ein passionierter Berggänger und hat bereits über 200 Mal den Säntis bestiegen. «Ich kenne den Säntis gut und bin auch viel im Winter in dem Gebiet unterwegs», sagt Maschio gegenüber «Tagblatt online».

«Das war ein Schock»

Vom Unfall des jungen Thurgauers habe er durch eine E-Mail eines Berggängerkollegen erfahren. «Das war ein Schock», sagt der 51-Jährige. «Durch mich ist er vor drei Jahren zum Bergsteigen gekommen». Roberto Maschio könnte sich vorstellen, dass sein Freund unterhalb der Tierwies in einem Couloir von einem Schneebrett erfasst worden ist. Er findet aber nicht, dass der junge Mann fahrlässig gehandelt hat. «Wenn ich nicht krank gewesen wäre, wäre ich an jenem Wochenende ebenfalls in den Bergen gewesen». Das Risiko sei im Winter sicher höher als im Sommer. «Passen Verhältnisse und Ausrüstung, kann man aber auch im Winter praktisch auf jeden Berg», sagt Maschio.

Im Winter hat es weniger Leute

Die beiden ehemaligen Arbeitskollegen haben zusammen mehrere Touren unternommen. «Danach war mein Freund meist alleine unterwegs und machte auch schwierigere Touren», sagt Roberto Maschio. «Wir waren vorwiegend bei Schnee zusammen in den Bergen». Ihm gefällt, dass im Winter weniger Leute in den Bergen sind. «Mit Schnee sieht die Landschaft speziell schön aus», erklärt der SBB-Angestellte die Faszination des Winter-Bergsteigens. Maschio kann nicht Skifahren und ist daher meistens mit Schneeschuhen unterwegs. Ist der Schnee hart, ist er mit Pickel und Steigeisen ausgerüstet. Der St.Galler ist aber nicht nur bei schönem Wetter in den Bergen anzutreffen. «Wenn es im Sommer regnet, wandere ich auf den Säntis und trinke dort einen Kaffee», sagt er. Hat es viel Schnee, bevorzugt er den Kronberg oder ähnliche Gipfel. Risikofreudig ist der Bergsteiger aber nicht. «Ich schätze die Gefahren ab, informiere mich über das Wetter, beobachte, von wo der Wind kommt, wenn es schneit.»

Die Freunde waren noch in Kontakt

Noch eine Woche vorher hatten die beiden Berggänger Kontakt miteinander. «Er fragte mich, ob er mit mir mal ins Theater kommen könne, denn ich gehe gerne in die Oper.» Dazu sollte es nicht mehr kommen. «Für mich war sofort klar, dass ich definitiv von ihm Abschied nehmen muss.» In die Berge geht Roberto Maschio aber weiterhin. Fast jeden Samstag ist er unterwegs – erst vergangene Woche war er auf dem Hohen Kasten. «Ich kann mir aber vorstellen, dass ich ein mulmiges Gefühl haben werde, wenn ich das erste Mal wieder auf den Säntis laufen werde», sagt Roberto Maschio.

Der Artikel erschien am 29.November auf der Website von Tagblatt online.

veröffentlicht: 29. November 2017 20:56
aktualisiert: 29. November 2017 21:28

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