FC St.Gallen

Ein Traumstart, der viel mehr ist

08.01.2020, 16:35 Uhr
· Online seit 28.07.2018, 07:27 Uhr
Der FC St.Gallen gewinnt die ersten beiden Pflichtspiele der Saison mit 2:1, der Start ist ihm geglückt. Besonders wenn sich ein Klub neu aufgestellt hat, ist dies doppelt wichtig, schreibt Sportjournalist und TVO-Moderator Dominic Ledergerber.
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Zwei Dinge sind im Fussball Gesetz: Geduld ist ein selten gewährtes Gut. Und ob der Geduldsfaden reisst oder eine Euphorie entsteht, darüber entscheiden Nuancen. Ersteres musste Trainer Raphael Wicky (41) am Donnerstag schmerzhaft erfahren, als ihn der FC Basel nach zwei 1:2-Niederlagen in den ersten beiden Pflichtspielen entliess.

Beispielhaft für das zweite Gesetz steht der Saisonstart des FC St.Gallen. In der allerletzten Sekunde gewann er auswärts gegen Basel, das Siegtor schreibt die Swiss Football League übrigens Neuzuzug Vincent Sierro zu. Und auch gestern kamen die Espen gegen ein äusserst biederes Sarpsborg 08 mit einem blauen Auge davon, als sie das Europa-League-Qualifikationsspiel trotz fast 90-minütiger Unterzahl und Rückstand noch drehten.

Zweimal 2:1. Dem FC St.Gallen glückt ein Traumstart, der so viel mehr ist als das. Gerade für einen Klub, der sich in den letzten sieben Monaten komplett neu aufgestellt hat – Präsident, Sportchef, Trainer, ja sogar ein Grossteil der Aktionäre und Spieler sind nicht mehr dieselben wie noch im Dezember – ist ein solcher Auftakt besonders wichtig. Und auch wenn am Ende Nuancen über das Resultat entscheiden, so ist es doch kein Zufall, dass der FCSG derart gut aus den Startlöchern gekommen ist.

Hüppi holte tatsächlich eine Granate

Selten war die Handschrift eines Trainers nach so kurzer Zeit erkennbar, wie dies aktuell bei Peter Zeidler (55) der Fall ist. Der ehemalige Französischlehrer aus Schwäbisch Gmünd setzt von Anfang an auf ein 4-3-3-System und lässt einen erfrischenden Fussball spielen, der rein gar nichts mehr mit dem teils behäbigen Gekicke der letzten Saison zu tun hat. Die Espen suchen ihr Heil nun vermehrt in der Offensive, im festen Vertrauen, dass sie die Marke von 72 Gegentoren aus der Vorsaison so leicht ohnehin nicht übertreffen werden.

Genauso erfrischend wie der Fussball, den er spielen lässt, ist auch Zeidlers Auftreten. Rhetorisch gewandt, stets freundlich und zugänglich, dazu leidenschaftlich. Wenngleich Präsident Matthias Hüppi das Zitat nicht mehr hören kann, so dürfte es ihn doch freuen, dass er mit Peter Zeidler wohl tatsächlich eine Granate verpflichtet hat.

Es ist ein Trainer mit einer klaren Spielidee, der darüber hinaus genau weiss, wie das Geschäft funktioniert. Zeidler hat das traditionell kritische Publikum im Sturm erobert. Und das ist im Umfeld des FC St.Gallen entscheidend.

Die Transfers als Abbild der Hoffnung

Dazu ein Beispiel: Als der FC St.Gallen Mitte Juni in die Saisonvorbereitung stieg, hatte er als einziger Super League-Klub noch keinen Neuzugang getätigt. Und das obwohl er mit Van der Werff, Toko oder Sigurjonsson bereits namhafte Teamstützen verloren hatte. Sofort wurde Kritik laut, insbesondere an der Arbeit von Sportchef Alain Sutter. Das änderte sich auch dann nicht, als die Kaderplanung abgeschlossen war und insgesamt elf neue Spieler zum FC St.Gallen gestossen waren. «Der FCSG kauft lieber zehn günstige Spieler als drei gute, die gleich teuer wären», lautete etwa einer der zahlreichen Kommentare in den Online-Foren.

Der Geduldsfaden war schon vor dem Saisonstart strapaziert, weshalb gute Resultate zu Beginn doppelt wichtig sind. Die beiden bisherigen Spiele offenbarten aber auch, dass sich die Espen durchwegs nicht nur quantitativ verstärkt hatten. Besonders die Verpflichtungen von Abwehrchef Milan Vilotic, der Mittelfeldspieler Dereck Kutesa und Vincent Sierro und die definitive Übernahme von Stürmer Cedric Itten sind ein Abbild der leisen Hoffnung, die auf der diesjährigen Ausgabe des FC St.Gallen ruht.

Wohin führt die Reise?

Gleich ganz früh in der Spielzeit 2018/2019 ist es dem FCSG also gelungen, eine kleine Euphorie zu entfachen – wohlwissend, dass dies nur eine Momentaufnahme ist. Sollten die Espen die beiden kommenden Heimspiele gegen Sion und Thun verlieren, wäre es bereits wieder vorbei mit der Leichtigkeit.

Die neue Führung um Präsident Matthias Hüppi hat sich bislang resistent gegen Kritik gezeigt. Die Basis ist vorhanden, dass die Mannschaft um Trainer Peter Zeidler in Ruhe arbeiten kann, auch wenn nicht alles auf Anhieb gelingt. Wohin die Reise führt, ist derzeit schwierig zu sagen. Europäisch dürfte sie zumindest nicht in Sarpsborg enden. Und in der Meisterschaft scheint ein Platz in den Top vier möglich zu sein.

Es ist ein Fazit, das kaum vertretbar wäre, hätten die Espen die ersten beiden Pflichtspiele verloren. Auch hier geben Nuancen den Ausschlag.

veröffentlicht: 28. Juli 2018 07:27
aktualisiert: 8. Januar 2020 16:35
Quelle: FM1Today

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