Einen Monat ohne Predigt

09.05.2019, 09:08 Uhr
· Online seit 08.05.2019, 18:33 Uhr
Alles neu? Die St.Galler Kirchgemeinde Straubenzell startet einen Selbstversuch. Einen Monat lang verzichten die Pfarrerinnen und Pfarrer auf ihre reguläre Sonntagspredigt.
Praktikant FM1Today
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An der Kanzel hängt ein Schild «Hier wird nicht gepredigt». Was sonst in Kirchen normal ist, wird hier anders gemacht. Auf weissem Hintergrund und mit rotem Rand wird auf den Versuch angespielt, welchen die drei Pfarrerinnen und Pfarrer wagen. Einen Monat gibt es anstatt der wöchentlichen Sonntagspredigt einen anderen Inhalt. Ansonsten bleibt aber alles «beim Alten».

Theater, Singen, Spazieren

«Die Umsetzungsformen sind unterschiedlich», sagt Kathrin Bolt. Sie ist seit 10 Jahren Pfarrerin in der evangelischen Kirchgemeinde Straubenzell in der Stadt St.Gallen. «Letzten Sonntag hat mein Pfarrkollege eine biblische Geschichte als Theater dargestellt», so Bolt. Dies sei sehr gut angekommen. Auf einer Stellwand in der Kirche werden die Rückmeldungen gesammelt. Ein Besucher schreibt «Der Text kommt mehr ins eigene Leben», eine andere «Ich war aufgefordert, selber über den Sinn der Bibelstelle nachzudenken». Bolt ist erfreut über die positiven Rückmeldungen. So habe sogar eine 85-Jährige eine E-Mail geschrieben, sie sei erfreut über die neue Form, man könne sich mehr einbringen.

Klar gebe es auch kritische Stimmen. Dazu zählt auch der St.Galler Dompfarrer Beat Grögli. Er äussert sich in einem Interview des St.Galler Tagblatt skeptisch. Bolt, angesprochen auf die Haltung, findet, dass er sicherlich die anders gestalteten Gottesdienste auch gut fände. Wichtig sei, dass eine Veränderung einen Mehrwert biete.

Idee kommt aus Deutschland

Ihren Ursprung hat dieser Versuch in Deutschland. Die Autorin Hanna Jacobs schrieb in einem Magazin einen Artikel mit dem Titel «Herr Pfarrer, lassen Sie ihre Predigt stecken». Dieser wurde auch in der Ostschweiz gelesen und führte zu diesem Monat ohne Predigt. Bolt sieht im Versuch auch die Möglichkeit, später den Gottesdienst auch offener gestalten zu können. Bolt betont aber, dass es nicht das Ziel sei, die Predigt so abzuschaffen. Nebst einer Feedbacksammlung der Kirchenbesucherinnen und -besucher wird auch die Autorin des Beitrags im Juni für einen Austausch nach St.Gallen kommen.

Bei speziellen Anlässen wie Hochzeit, Taufe oder Beerdigung werden auch im Mai die Predigten nicht weggelassen. «Wir wollen in solchen Momenten nicht experimentieren», sagt Bolt.

veröffentlicht: 8. Mai 2019 18:33
aktualisiert: 9. Mai 2019 09:08
Quelle: ham

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