Eingesteckter Akku: Paar vor Gericht

20.08.2018, 12:10 Uhr
· Online seit 20.08.2018, 11:09 Uhr
Ein Ehepaar aus Steckborn muss sich ab heute Montag vor dem Bezirksgericht in Frauenfeld verantworten. Es soll für den Brand der Steckborner Altstadt im Dezember 2015 verantwortlich sein. Ausgelöst wurde der Brand durch einen eingesteckten Akku.
Lara Abderhalden
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Es ist eine Sache, die viele jede Nacht machen: Den Akku des Smartphones, Laptop usw. laden. Handelt es sich um einen stärkeren Akku, lohnt es sich, die Gebrauchsanweisung zu lesen. Weil ein Ehepaar aus Steckborn dies versäumte, entstand im Dezember 2015 ein Grossbrand, für den es sich nun vor dem Bezirksgericht Frauenfeld verantworten müssen.

Ehefrau setzte Ladegerät auf Laminatboden

Der Beschuldigte erhielt rund zwei Tage vor dem Brand von einem Kollegen ein Modellauto, weil dieser ihm noch Geld schuldete. Der Kollege fragte den Beschuldigten noch, ob er mit dem Auto klar komme oder eine Einführung brauche. Dieser verneinte und wollte auch die Gebrauchsanweisung nicht. Am 20. Dezember 2015 testete der Beschuldigte das Modellauto mit seiner Stieftochter. Nach dem Testen musste der Akku geladen werden, weshalb der 48-jährige den Akku in einem Ladegerät in der Küche an den Strom anschloss. Danach ging er mit dem Hund spazieren.

Als die Frau des Beschuldigten nach Hause kam, nervte sie sich über das Auto in der Küche und zügelte das Auto mitsamt Ladegerät in das Ankleidezimmer, steckte das Gerät ein und legte den Akku auf den Laminatboden. Als der Mann vom Spaziergang zurück kam, tranken die beiden noch Wein und gingen dann schlafen.

Zwölf Millionen Franken Sachschaden

Kurz nach halb drei Uhr nachts erwachte die Tochter der Frau, weil es viel Rauch in ihrem Zimmer hatte. Die Feuerwehr wurde alarmiert, welche die Familie und die Anwohner aus den Gebäuden befreien musste. Durch den Brand verloren 30 Bewohner ihr Hab und Gut. Sechs Liegenschaften wurden teilweise zerstört und drei Personen leicht verletzt. Die Feuerwehr brauchte drei Tage um den Brand komplett zu löschen. Es entstand ein Sachschaden von rund zwölf Millionen Franken.

Hätten Warnhinweis lesen müssen

Dem 48-Jährigen wird vorgeworfen, fahrlässig gehandelt zu haben. Dies, weil er die Warnhinweise auf dem Akku nicht gelesen, beziehungsweise ignoriert hat. Auf dem Akku wurde in verschiedenen Sprachen darauf aufmerksam gemacht, dass man den Akku nicht unbeaufsichtigt laden soll, sich in der Nähe befinden soll und ihn vor entflammbaren Materialen fern halten müsse. Da die Frau das Ladegerät auf einen brennbaren Boden setzte, ging auch sie ihrer Pflicht nicht nach. Das Ehepaar sei, gemäss Staatsanwaltschaft, verpflichtet gewesen, das Ladegerät rechtzeitig auszustecken, so hätte der Brand verhindert werden können.

Die Staatsanwaltschaft fordert den Mann wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuerbrunst für schuldig zu sprechen. Er soll mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30.- Franken und einer Busse von 600.- Franken bestraft werden. Die Gerichtskosten soll er sich mit seiner Frau teilen und rund 5'000.- Franken davon übernehmen.

Mildere Strafe wegen Betroffenheit

Allenfalls sei von einer Bestrafung abzusehen, heisst es in der Anklageschrift. Da die Beschuldigten durch den Brand, also durch die Folgen seiner Tat, so schwer betroffen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre. Das Ehepaar verlor nicht nur das gesamte Hab und Gut, auch der Hund konnte nicht mehr gerettet werden und starb in den Flammen.

Die 47-jährige Frau des Mannes soll ebenfalls mitschuldig sein. Für sie werden 10 Tagessätze zu je 30 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren und eine Busse von 300 Franken gefordert. Hinzu komme ein Teil der Gerichtskosten von rund 4'000 Franken.

Erklären sich vor Gericht unschuldig

Der niederländisch sprechende Ehemann erklärte vor Gericht, die Gefahren von Lithium-Polymer-Akkus seien ihm nicht bekannt. Er habe das Gerät benutzt wie andere Ladegeräte auch, etwa wie dasjenige für das Telefon. Er glaube nicht, etwas falsch gemacht zu haben. Von Warnhinweisen habe er nichts gewusst.

Die Frau erklärte, sie habe sich keine Gedanken über mögliche Gefahren gemacht. Es sei um ein «Spielzeugauto» gegangen. Ihr Mann könne schlecht lesen. «Auf Deutsch gar nicht», sagte sie.

Der Staatsanwalt stellte fest, der Mann habe eine Gefahr geschaffen, in dem er das Modellauto samt Akku in die Wohnung gebracht habe. Es gebe in den Medien immer wieder Meldungen über die damit verbundenen Gefahren. Auch vor Flugreisen werde auf die Explosionsgefahr von aufladbaren Batterien hingewiesen.

Urteil am Mittwoch

Auf dem Akku seien Warnhinweise aufgedruckt, die sogar noch nach dem Brand lesbar gewesen seien. Um die Gefahren zu kennen, genüge die allgemeine Lebenserfahrung.

Ähnlich argumentierten die Rechtsvertreter der insgesamt 22 Privatkläger. Es sei ein spezieller Akku gewesen, der normalerweise in einer feuerfesten Tasche aufbewahrt werde. Das Ehepaar habe es an pflichtgemässer Umsicht vermissen lassen.

Die Verhandlung wird am Dienstag mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt.

(abl)

 

veröffentlicht: 20. August 2018 11:09
aktualisiert: 20. August 2018 12:10

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