Freisprüche im Fall Steckborn verlangt

21.08.2018, 13:02 Uhr
· Online seit 21.08.2018, 12:44 Uhr
Im Prozess um die Verantwortung für den Grossbrand von Steckborn forderten die Verteidiger am Dienstagmorgen vor dem Bezirksgericht Frauenfeld Freisprüche für die beiden Angeklagten: Sie hätten von der Gefährlichkeit von Lithium-Polymer-Akkus nichts gewusst.
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Der Grossbrand in Steckborn hatte am 21. Dezember 2015 sechs Häuser in der Altstadt zerstört. Insgesamt entstand ein Schaden von 12 Mio. Franken. Das Bezirksgericht Frauenfeld beurteilt nun in einem zweitägigen Prozess, ob dafür ein 48-jähriger Mann und eine 47-jährige Frau verantwortlich gemacht werden können.

Der Staatsanwalt warf dem Ehepaar am Montag vor, einen Lithium-Polymer-Akku, der vor allem im Modellbau verwendet wird, in der Wohnung unbeaufsichtigt im Ladegerät gelassen zu haben. In der Nacht kam es zu einer Überhitzung und schliesslich zum Brand.

Paar hätte von der Brandgefahr wissen müsen

Das Ehepaar hätte unter anderem durch Medienberichte von der Gefährlichkeit solcher Akkus wissen müssen und habe sich deshalb fahrlässig verhalten. Weiter seien auf dem Akku mehrsprachige Warnhinweise aufgedruckt.

Am Dienstagvormittag kam die Verteidigung zu Wort. Beide Anwälte forderten Freisprüche. Der Rechtsvertreter des Mannes erklärte, sein Mandant habe von der besonderen Gefährlichkeit der Akkus keine Ahnung gehabt.

Mann kann kein Deutsch lesen

Der niederländisch sprechende Mann verfüge nur über eine eingeschränkte Schulbildung. Er könne Deutsch, Englisch oder Französisch weder lesen noch schreiben, so der Anwalt.

Als Warnhinweise seien auf dem Akku über etwa drei Zentimeter rund 15 Zeilen aufgedruckt. Sie seien kaum lesbar. Die Produzenten wollten damit offensichtlich ihre Verantwortung loswerden, folgerte der Verteidiger.

Sein Mandant sei davon ausgegangen, dass er ein Spielzeug besitze, das auch von Kindern und Jugendlichen problemlos benutzt werden könne.

Hinweise auf Brandgefahr erst nachträglich erschienen

Erst in der Rückschau gingen nun alle davon aus, dass die Gefahren voraussehbar gewesen seien, argumentierte der Verteidiger. Er verwies etwa auf Wikipedia-Artikel über Lithium-Polymer-Akkus. Hinweise auf die Feuergefahr fänden sich dort erst in den Versionen, die nach dem Brand von Steckborn publiziert wurden. Es werde darin sogar explizit auf das Ereignis hingewiesen.

Man müsse zudem davon ausgehen können, dass der Staat solche Geräte kontrolliere und sie nur dann freigebe, wenn sie sicher seien. Der Anwalt erinnerte an den allgemeinen Umgang mit Batterien: «Wer überwacht schon eine Akku-Gartenschere beim Aufladen lückenlos?», fragte er. «Wir leben mit dem Risiko, damit ist es sozial adäquat.»

Auch der Anwalt der Frau argumentierte, ein allgemeines Wissen über die Gefährlichkeit solcher Akkus sei in der Bevölkerung vor dem Brand nicht vorhanden gewesen.

Er stellte fest, dass Lithium-Polymer-Akkus weiterhin erhältlich seien. Es gebe zwar keine Zahlen, wie viele davon Probleme verursachten. Es könnten aber nur sehr wenige sein. Im Fall von Steckborn habe sich «ein unwahrscheinliches Risiko verwirklicht», fasste er zusammen.

Staatsanwaltschaft fordert Strafen und Bussen

Die Staatsanwaltschaft fordert für die Frau und den Mann je eine Strafe und eine Busse in Höhe von 300 bis 600 Franken. Nebst dem Staat klagen auch 17 Privatkläger, die beim Brand ihre Wohnungen und ihr Hab und Gut verloren haben.

veröffentlicht: 21. August 2018 12:44
aktualisiert: 21. August 2018 13:02
Quelle: SDA/red.

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