«Freue mich auf die freien Wochenenden»

· Online seit 24.04.2019, 19:34 Uhr
Nach 17 Jahren als Profispieler gab Tranquillo Barnetta am Dienstag seinen Rücktritt bekannt. Der 33-jährige St.Galler freut sich nun auf eine Zukunft mit mehr Freiheit. Welche Pläne er für seine Karriere hat, liest du hier im Interview.
Sarah Lippuner
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Tranquillo Barnetta - wie haben Sie diese Nacht nach der Bekanntgabe Ihres Rücktritts geschlafen?

Eigentlich gleich wie immer, so gut wie man halt schläft wenn man einen neunmonatigen Sohn hat (lacht).

Wie schwer fiel Ihnen den Rücktritt?

Ich habe diese Entscheidung natürlich nicht leichtfertig getroffen, es war ein längerer Prozess. Für mich ist der richtige Zeitpunkt nun gekommen und ich bin sehr dankbar für alles, was ich erleben durfte im Fussball. Für meinen weiteren Weg ist es sehr gut, dass ich von mir aus sagen kann «nun ist Schluss», nicht das dies mein Körper oder ein Club sagt. Das hilft bestimmt meiner Karriere nach meiner Karriere.

Der FC St.Gallen wollte Sie also eigentlich noch ein Jahr behalten?

Genau, wir führten ein Gespräch vor ein paar Wochen und sie sagten, dass sie sich das vorstellen könnten. Ich sagte dann, dass ich etwas Zeit brauche, um mir das durch den Kopf gehen zu lassen. Schliesslich habe ich ihnen meinen Entscheid gestern mitgeteilt.

Wie hat der FCSG reagiert?

Sehr gefasst, sie haben natürlich gesagt, dass es schade ist. Vielleicht haben sie auch damit gerechnet.

Haben Sie schon Reaktionen von den Mitspielern?

Klar, da sagen die einen das ist schade oder fragen, was machst du nachher? Aber das Verständnis und der Respekt für diese Entscheidung ist hier und ich habe auch klar gesagt, dass wir jetzt noch sechs Spiele vor uns haben und ich persönlich möchte natürlich auch, dass wir noch einen guten Abschluss machen.

Wie geht es denn im Sommer weiter?

Ich freue mich vor allem, nicht mehr jedes Wochenende mit Spielen verplant zu haben. Seit gut 20 Jahren sind bei mir alle Termine vorgegeben gewesen und jetzt kann ich von mir aus sagen, wann ich was machen will. Ich freue mich auf diese Freiheit und Lebensqualität und darum wird es sicher nicht so sein, dass ich gleich einen Job in der Wirtschaft oder so übernehmen werde.

Man hat davon gehört, dass Sie sich nach Ihrer Karriere vom Fussball verabschieden möchten. Warum ist das so?

Seit mehr als 20 Jahren dreht sich bei mir alles um den Fussball. Ich freue mich darauf, in andere Richtungen denken zu können. Darum sehe ich mich momentan nicht als Trainer oder Sportchef, sondern eher in einer anderen Branche. Zurzeit habe ich aber noch keine Ideen in welcher Branche, da habe ich keinen Stress.

Sie haben eine richtige Bilderbuchkarriere hinter sich - mit 19 Jahren haben Sie beim FCSG angefangen und wollten die Karriere auch hier beenden. Haben Sie sich das im Nachhinein einfacher vorgestellt in den letzten 2.5 Jahren?

Nein, überhaupt nicht, ich war immer sehr realistisch und wusste, was kann ich noch und was nicht mehr. Am Anfang kam Kritik auf, weil einige Zuschauer meinten, der Mann, der mit 19 Jahren gegangen ist, kommt wieder gleich zurück. Mich aber hat es vor allem gefreut, wieder in der Region zu sein. Die Stimmung im ausverkauften Stadion letzte Woche war ein Höhepunkt für mich, auch wenn wir leider nicht gewonnen haben. Es war dennoch sehr schön, diese tolle Stimmung noch einmal spüren zu dürfen.

Die Zeit mit Peter Zeidler war für Sie nicht immer einfach, haben Sie vorher schon an einen Rücktritt gedacht?

Nicht konkret, natürlich haben mich Aussenstehende angesprochen, warum ich mir das noch antue. Für mich war aber immer klar, dass ich nicht von aussen einen Entscheid treffen möchte, sondern selbst bestimmen will, wann ich aufhöre. Ich war überzeugt, dass wenn ich weitermache der Mannschaft noch helfen kann und bin froh, hat das auch geklappt.

Sie haben international eine beachtliche Karriere gemacht: Deutsche Bundesliga, 75 Länderspiele für die Schweiz, drei Weltmeisterschaften, Europameisterschaften - was bleibt am meisten hängen?

Eigentlich diese Aufzählung (lacht). Wenn mir das jemand als 17-jähriger gesagt hätte, dann hätte ich gesagt, «du hast einen Schaden», das wird nie so sein. Darum ist es enorm, dass ich dieses Glück haben durfte und die richtigen Entscheidungen getroffen habe. Es ist einfach nur schön.

Am 25. Mai sitzen sie dann zum letzten Mal im Mannschaftsbus, was werden Sie am nächsten Tag nicht vermissen?

(lacht) Uh, schwierig zum sagen. Ich glaube, dass ich es erst später realisieren werde. Nach einer Saison ist man immer etwas ausgelaugt und das Realisieren, dass es ganz fertig ist, wird wohl erst später kommen. Es kann natürlich auch gut sein, dass die eine oder andere Träne fliessen wird, weil doch so eine schöne Zeit vorbeigeht.

Haben Sie schon eine Ahnung, wie die ersten Tage nach der Karriere aussehen werden?

Ja, man hat schon einen Plan. Geniessen und Zeit für die Familie verbringen, auf das freue ich mich extrem.

Das Interview wurde von TVO-Moderator David Lendi geführt.
(red.)
veröffentlicht: 24. April 2019 19:34
aktualisiert: 24. April 2019 19:34

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