Geld für gute Noten? – Eine schlechte Idee

· Online seit 06.07.2018, 11:54 Uhr
Bringen Kinder zu Beginn ihrer Sommerferien ihr Zeugnis nach Hause, füllt sich bei guten Noten meist ihr Kässeli. Aber ist diese Art von Belohnung sinnvoll? Ein Experte rät davon ab.
Laurien Gschwend
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In den Ostschweizer Kantonen St.Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden gehen heute die Sommerferien los; die Innerrhoder und die Bündner Kinder dürfen sich bereits seit einer Woche vom Schuljahr erholen. Genauso gross wie die Vorfreude auf die freien Wochen ist natürlich auch die Spannung, welche die Schülerinnen und Schüler verspüren, wenn sie das erste Mal ins Zeugnis sehen. In welchen Fächern war ich gut – habe ich in einem Fach sogar eine 6? Und was bekomme ich jetzt von meinen Eltern, Opa und dem Gotti? Das sind Fragen, die sich viele zum Semesterabschluss stellen.

Kleinigkeiten unter dem Jahr

«Unter dem Jahr habe ich für eine 6 immer einen Fünfliber bekommen, für die Höchstnote im Zeugnis gab es eine 20er-Note», erinnert sich Celia Rogg, Mediamatikerin bei FM1, an ihre Schulzeit zurück. Auch für den KV-Lernenden Dominik Karrer gab für gute Noten zehn oder fünfzehn Franken. «Jetzt, wo ich in der Berufsschule bin, erhalte ich aber nichts mehr.» Social-Media-Manager Gerry Reinhardt schenkt seiner 13-jährigen Tochter unter dem Jahr immer mal wieder etwas Kleines, wie er sagt. «Zum Beispiel, wenn sie im Haushalt hilft.» Explizit für das Zeugnis kriege sie keinen Batzen.

Opas Punktesystem als Motivation

Raphael Labhart, Moderator im FM1-Feierabend, erhielt von seinen Eltern jeweils lobende Worte. Interessanter war wohl die Belohnung seiner Grosseltern: «Opa hat für alle Enkelkinder ein kompliziertes Punktesystem entwickelt. Es war immer eine besondere Motivationsspritze, ihm das Zeugnis zu zeigen und die Leistungen abrechnen zu lassen.» Wofür er den Batzen ausgab? «Panini-Bildli, Fussballsachen, Playstation-Spiele – halt das, was sich Buben so wünschen.»

Kinder und Lehrpersonen nicht vergleichbar

Das erste Mal das neue Zeugnis in der Hand zu halten, sei sowohl für Kinder als auch für ihre Eltern ein grosser Moment, sagt Daniel Betschart, Programmverantwortlicher Schuldenprävention und Konsum bei der Stiftung Pro Juventute. Aber: «Wir empfehlen grundsätzlich, gute Schulnoten nicht mit Geld zu belohnen, auch nicht unter dem Jahr.»

Dies hat laut dem Experten verschiedene Gründe: Zum einen könne man mehrere Kinder in einem Haushalt nicht vergleichen. «Manche müssen viel lernen, um gerade mal eine genügende Note zu erzielen, andere müssen für eine 6 kaum etwas tun.» Weiter sei die Benotung der Lehrpersonen sehr unterschiedlich. Bei manchen Lehrerinnen und Lehrern sei es gar nicht erst möglich, die Bestnote zu bekommen. «Im Allgemeinen stellt es für Kinder eine falsche Motivation dar, wenn sie sich in der Schule nur für Geld oder andere Wertsachen anstrengen», erläutert Betschart. Erbringe eine Schülerin oder ein Schüler keine guten Leistungen, sei es ebenfalls nicht richtig, beispielsweise das Sackgeld zu streichen. «Das Gespräch suchen und  Unterstützung holen, ist viel wichtiger, als die Leistung des Kindes an Geld zu knüpfen.»

Abschlussfeier statt Geld

Auf eine Belohnung müssen Eltern und ihre Sprösslinge trotzdem nicht verzichten: «Sie können zum Beispiel gemeinsam essen gehen, um den Abschluss des Schuljahres zu feiern und die Sommerferien einzuläuten, dies unabhängig vom Zeugnis.» Komme ein Kind damit an, dass Schulkameraden für gute Noten viel mehr erhalten als sie, sollten seine Eltern laut Betschart mit der Familienidentität argumentieren. «Sie können erklären, warum das ‹wir Meiers oder Müllers› anders machen. Das stärkt die Kinder und die ganze Familie.»

Was meinst du: Sollten Kinder für ihr Zeugnis eine Belohnung erhalten und was für eine?
veröffentlicht: 6. Juli 2018 11:54
aktualisiert: 6. Juli 2018 11:54

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