Instagram-Hype: Nach dem Äscher jetzt der Pizol

20.09.2018, 13:54 Uhr
· Online seit 20.09.2018, 08:01 Uhr
Es ist egal, ob es gut war, Hauptsache es sieht gut aus. Die Jagd nach den besten Instagram-Bildern hat diesen Sommer auch den Pizol erreicht.
Dario Cantieni
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«Gerne ein Billet für die 5-Seen-Wanderung.» Würde die Frau an der Kasse der Pizolbahn jedes Mal einen Franken kriegen, wenn sie diesen Satz hört, sie müsste bald nicht mehr arbeiten.

Es ist ein herbstlicher Morgen an der Talstation in Wangs. Bunte Multifunktions-Jacken hängen wie erschlaffte Segel an den Mammut-Rucksäcken. Obwohl bereits die Sonne scheint, kann es kalt werden in den Bergen. Weiss jeder. Die Einzigen, die aus der Reihe vor dem Kassa-Hüsli tanzen, sind die Wanderstöcke, die teils lässig unter den Armen klemmen. Das Alter ist 50 plus, die Frage nach Instagram wird dementsprechend mit Kopfschütteln beantwortet. «Höchstens mal ein Foto vom Berg per Whatsapp im Familienchat - Internet weniger», meint eine Dame. Um gleich darauf an der Kasse «Gerne ein Billet für die 5-Seen-Wanderung» zu bestellen.

«Etwa 70 Prozent gehen nur zum ersten See»

Mehr Klarheit über die Instagramisierung des Pizols liefert später am selben Tag Florencia Kühne. Sie ist Social-Media-Verantwortliche bei den Pizolbahnen und weiss um den Hype am Berg. «Diesen Sommer hatten wir unter der Woche über 20 - am Wochenende gar über 100 Instagram-Postings mit dem Hashtag Pizol.» Die meisten würden dabei Fotos der 5-Seen-Wanderung posten, da diese schlicht spektakulär sei. Bis zu fünf Stunden ist man unterwegs, bis man zu allen fünf Seen gelangt ist. Ein paar würden es sich da gemütlicher machen und nur bis zum ersten See laufen, der eine gute Stunde von der Bergstation entfernt liegt. «Etwa 70 Prozent der Fotos sind vom ersten See», sagt Kühne. Für sie ist klar, dass viele junge Leute dank den Influencern auf den Berg kommen. «Wir hatten teils Influencer mit 250'000 Followern, die anfragten.» Der Deal ist dann folgender: Die Influencer dürfen gratis auf den Berg, schiessen da Traumfotos und teilen diese mit ihren Followern. Im besten Fall wollen die den Ort auch in echt erleben. Eine Win-Win Situation und gute Werbung für den Pizol. «Werbung mit Influencern gibt es bereits seit zwei, drei Jahren», sagt Florencia Kühne. Diesen Sommer seien aber besonders viele gekommen.

Die Leute sollen am Glück teilhaben

Bergstation Pizolhütte, gut 2200 Meter über Meer. Die Sonne beleuchtet das Sarganserland, der Blick schweift bis ins Rheintal. Bernhard, Liftverantwortlicher auf dem Berg, trägt eine schwarze Wollmütze und gibt freundlich Auskunft. «Es kommen viele Junge, die meisten davon machen die 5-Seen-Wanderung.» Und auch Markus im Bergrestaurant bestätigt: «Handy und Kamera sind meistens dabei. Was du hier oben siehst, siehst du nicht alle Tage. Das will man festhalten.» Und als ob sie seine Worte bestätigen müssten, laufen vor dem Restaurant zwei Männer vorbei, einer mit grosser Kamera in der Hand. «Ja, die Bilder kommen auf Facebook und Instagram. Ich mache die Fotos aber vor allem für mich, da ich nicht so viele Follower habe.» Anders sehen das zwei junge Polinnen, die den Handybildschirm der Aussicht vorziehen. «Klar lade ich die Fotos der 5-Seen-Wanderung auf Instagram, die Leute sollen doch an meinem Glück teilhaben.»

«Die Natur ist unsere Bühne»

Glücklich über die vielen Bilder im Internet, und ergo die vielen Besucher am Berg, ist vor allem der Geschäftsführer der Pizolbahnen, Klaus Nussbaumer. «Wir konnten diese Sommersaison 20 bis 25 Prozent mehr Gäste begrüssen als im letzten Jahr», sagt Nussbaumer.  Diesen Erfolg sieht er aber nicht allein durch die Instagramer verursacht. Bestimmt habe auch das Wetter einen grossen Teil dazu beigetragen. Um dann schon fast poetisch anzufügen: «Die Natur ist unsere Bühne und das wird geliked.» Der Ansturm am Äscher ist natürlich auch Nussbaumer nicht verborgen geblieben. Aber auf die Frage, ob man mit einem Auge auf den Influencer-befallenen Alpstein schaue, meint er nur: «Klar schaut man, was die Nachbarn machen, aber in erster Linie schauen wir für uns.» Es scheint zu funktionieren. Auch wenn immer noch viele Besucher wegen der schönen Natur und nicht wegen vor allem wegen der Fotos kommen. So meint eine Dame: «Ich mache gar keine Fotos, ich mach' es mit meinen Augen und behalte es im Herzen.»

veröffentlicht: 20. September 2018 08:01
aktualisiert: 20. September 2018 13:54

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