Joris: «Wir mussten ganz von vorne beginnen»

14.02.2019, 07:02 Uhr
· Online seit 14.02.2019, 02:46 Uhr
Matteo Joris gilt als Baumeister der erfolgreichen Schweizer Slalom-Equipe. Der Italiener führt Daniel Yule, Ramon Zenhäusern und Co. Schritt für Schritt an die Weltcup-Spitze.
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Matteo Joris mag es ruhig. Der bodenständige Aostataler sucht nicht das Scheinwerferlicht. Er hält sich lieber im Hintergrund auf und verrichtet seine Arbeit im Stillen. Diese Arbeit macht er richtig gut. Er hat aus einer Gruppe hoffnungsvoller Schweizer Athleten eine schlagkräftige Slalom-Equipe geformt und seine Spitzenkräfte in der einst permanenten Sorgendisziplin in der Weltspitze etabliert.

Joris ist seit fast vier Jahren für die Slalom-Gruppe von Swiss-Ski verantwortlich. Zuvor hatte er als Assistent von Steve Locher gewirkt. Der Walliser hatte den Posten im selben Frühjahr nach drei Saisons wegen «zwischenmenschlicher Differenzen» räumen müssen. Unterstützt wird Joris in seiner Arbeit von Thierry Meynet. Der französisch-schweizerische Doppelbürger war zwischen 1994 und 1998 schon einmal beim Schweizer Verband engagiert und hatte damals das Abfahrts- und danach das Technikerinnen-Team betreut.

Matteo Joris, schauen wir auf die Anfänge der aktuellen Slalom-Gruppe zurück. Welche Gedanken kommen da bei Ihnen hoch?

«Da war eigentlich nichts. Zumindest war die Schweiz in den ersten dreissig der Weltcup-Startliste im Slalom kaum vertreten. Wir mussten also ganz vorne beginnen.»

Ihre Fahrer und das gesamt Projekt sind oft belächelt worden. Die Umstände für den Aufbau einer Slalom-Gruppe waren schwierig.

«Früher bestand kein Interesse am Slalom. Die Resultate waren entsprechend. Jetzt aber ist die Beachtung da. Wenn man sieht, wie viele Zuschauer am Sonntag für den Slalom in Adelboden waren. Das färbt auf die Jungen ab. Früher war die Abfahrt ihr Traum. Jetzt ist auch der Slalom ein Thema. Das ist gut für die Zukunft, um die nächsten Generationen nicht zu verlieren.»

Es brauchte Ihrerseits viel Überzeugungsarbeit. Sie waren nicht nur als Ski-Trainer gefordert.

«Das auch, ja. Aber das gehört zu meinem Job. Mit den Fahrern reden, ihnen Vertrauen geben. Früher hatten sie zu viel Respekt vor den Rennen. Aber jetzt sind sie auch im Kopf stark. Sie nehmen auch in einem zweiten Lauf Risiko auf sich, auch wenn ihnen schon der erste Lauf gelungen war. Zurückhaltung gibt es nicht mehr.»

Sie selber waren offenbar immer überzeugt, dass etwas Grosses entstehen wird.

«Ja, das war ich. Vor allem vom technischen Können der Fahrer her. Wir mussten ihnen nur noch das Selbstvertrauen geben. Was wir jetzt in den Rennen sehen, haben sie schon zwei Jahre zuvor im Training gezeigt.»

Luca Aerni schaffte es mit dem zweiten Platz im vorletzten Dezember in Madonna als Erster der Gruppe aufs Podest. Das löste dann auch bei den anderen etwas aus.

«Das war für alle eine Erleichterung. Lucas Resultat nahm auch den Druck von den Fahrern. Denn überall wurden sie zuvor darauf angesprochen, wann es endlich klappen wird mit dem ersten Podestplatz.»

Jetzt ist ausgerechnet Aerni jener Fahrer, dem es im Moment nicht wie gewünscht läuft.

«Wir kennen das Problem. Das Material ist gut, aber die Abstimmung passt noch nicht. Aber im Januar mit so vielen Slaloms bleibt keine Zeit, um daran intensiv zu arbeiten. Dadurch geht fast eine ganze Saison verloren. Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden.»

Jetzt ist hier Tanguy Nef einer der vier Fahrer im WM-Slalom. Wegen seines Studiums in den USA ein Fahrer mit einer besonderen Geschichte. Kennen Sie ihn schon lange?

«Nein, kennengelernt habe ich ihn erst im November bei der Vorbereitung in Kabdalis in Finnland auf den Saisonstart in Levi. Da habe ich dann schnell gesehen, dass er ein Fahrer mit sehr viel Gefühl ist. Er ist im Training von Tag zu Tag besser geworden. Ich habe wohl noch nie einen Fahrer gesehen, der in so kurzer Zeit so grosse Fortschritte gemacht hat.»

In den letzten vier Wochen ist er zweimal in die USA und wieder zurückgeflogen, um an der Uni Prüfungen abzulegen. Zudem ist er dort auch Uni-Rennen gefahren. Da zehrt an den Kräften.

«Es ist auch unser Job zu schauen, dass ein Fahrer seine Energie behält. Dafür passen wir das Training individuell an.»

Wer pusht dieses Team am stärksten?

«Früher lag das an uns Trainern. Seit die Resultate stimmen, will jeder der Bessere sein. Sie spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an und sind trotzdem gute Freunde. Das ist die perfekte Situation. Wir Trainer müssen jetzt schauen, diesen Teamspirit mit Freundschaft und Konkurrenzkampf zu halten.»

Sie sind Trainer einer Slalom-Gruppe. Wird da das Training nicht eintönig?

«Nein, nein, wir trainieren fast zu fünfzig Prozent Riesenslalom und sogar ab und zu Abfahrt. Ziel ist es, dass die Fahrer auch im Riesenslalom Fuss fassen. Dafür müssen aber fünfhundert Weltcup-Punkte erreicht werden, damit der Start unmittelbar hinter den ersten dreissig möglich ist. Es gibt sonst keine Möglichkeit, im Riesenslalom zu punkten. Wir haben keine Zeit, Europacup-Rennen zu fahren.»

veröffentlicht: 14. Februar 2019 02:46
aktualisiert: 14. Februar 2019 07:02
Quelle: SDA

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