St.Gallen verliert das erfolgreichste Projekt

14.07.2017, 09:06 Uhr
· Online seit 13.07.2017, 05:42 Uhr
Seit 23 Jahren ist die St.Galler Projekt-Werkstatt für Velofahrer und Arbeitslose eine Institution. Unzählige fanden über die Werkstatt eine Chance, wieder ins Berufsleben zurückzufinden. Weil der Kanton St.Gallen die Unterstützung streicht, muss der Betrieb schliessen. Die Betroffenen sind schockiert und wollen nicht kampflos aufgeben.
Raphael Rohner
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Für viele Arbeitslose ist die Werkstatt die letzte Hoffung. Hoffnung auf einen Neuanfang, eine Umschulung oder einen Wiedereinstieg nach einer schwierigen Zeit. Die Projekt-Werkstatt ist ein Begriff in und um St.Gallen. Die Werkstatt mit ihren bis zu 43 Mitarbeitenden machte 23 Jahre lang so ziemlich jeden Velofahrer glücklich. Hier bekam auch jemand mit einem kleinen Portemonnaie ein eigenes Velo. Jetzt soll damit Schluss sein. Der Kanton St.Gallen hat der Velowerkstatt den Zuschlag für eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr gegeben.

«Wir mussten den Schock am See verarbeiten»

«Als wir den Beschluss bekommen haben, waren wir sprachlos», sagt Hansueli Salzmann, Leiter der Projekt-Werkstatt in St.Gallen. «Das Team war so geschockt, dass die Belegschaft erstmal eine Stunde an den See gehen musste um den Schock zu verdauen.» Salzmann kann immer noch nicht glauben, dass man die Arbeitslosen, die in der Werkstatt sinnvoll beschäftigt werden, wieder auf die Strasse stellen will.

Bestes Wiedereingliederungsprogramm zu teuer?

Das St.Galler Amt für Wirtschaft und Arbeit plant aus Kostengründen, die Einsätze für Stellensuchende nicht mehr in der Projekt-Werkstatt durchzuführen: «Man schreibt alle vier Jahre per Submission die Vergabe dieser Arbeitsprojekte aus und aktuell hat ein anderes Unternehmen den Zuschlag bekommen», heisst es gegenüber FM1Today. Dies führt bei Salzmann zu grossem Unverständnis.

Die Werkstatt sei eine Instanz für den Arbeitsmarkt: «Keine andere Institution bringt so viele Meschen wieder auf den Arbeitsmarkt zurück. Wir arbeiten mit Herzblut mit den Menschen für die Menschen.» Im letzten Jahr war die Projekt-Werkstatt gar das beste Reintegrierungsprogramm des ganzen Kantons St.Gallen. Trotzdem habe der Kanton einem anderem Unternehmen den Zuschlag gegeben: «Das andere Unternehmen kostet einen Drittel weniger, doch was die Arbeitslosen dort machen, ist noch ungewiss.»

«Die Werkstatt ist mein Lebenswerk!»

Die Projekt-Werkstatt wurde im Jahr 1994 vom Automechaniker und Sozialarbeiter Andreas Frank gegründet. Die Institution bietet diverse Einsatzprogramme für das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), der Schweizer Unfallversicherung (SUVA) und der Invalidenversicherung (IV) an. Bis zu 35 Leute finden in der Werkstatt Arbeit und werden bei der Wiederaufnahme oder Umschulung begleitet.

Die Velowerkstatt hat klare Abmachungen mit den Velo-Fachgeschäften aus der Region, so werden keine neuen Velos verkauft und keine neuen Velos repariert. Frank kann noch immer nicht fassen, dass der Kanton sein Projekt beenden will: «Es ist mein Lebenswerk und ich habe sehr viel Herzblut darin investiert.» Er wolle alles in seiner Macht stehende unternehmen, dass die Werkstatt weiterhin existieren könne.

Kein kampfloses Ende

Salzmann, Frank und ihre Mitarbeiter wollen aber nicht kampflos aufgeben. Salzmann glaubt daran, dass die Projekt-Werkstatt weiterleben kann: «Wir reichen Rekurs gegen diesen Beschluss ein und wollen kämpfen.» Der Kanton St.Gallen hat eine Rekursfrist von zehn Tagen eröffnet, die am Freitag abläuft.

TVO-Beitrag: Der Kanton St.Gallen dreht der Projekt-Werkstatt den Geldhahn zu:

veröffentlicht: 13. Juli 2017 05:42
aktualisiert: 14. Juli 2017 09:06
Quelle: rar

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