Lega will mit Misstrauensvotum Neuwahlen erzwingen

09.08.2019, 12:30 Uhr
· Online seit 09.08.2019, 11:58 Uhr
In der Regierungskrise in Italien hat Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, ein Misstrauensvotum im Senat gegen den Ministerpräsidenten Giuseppe Conte angekündigt. «Wer Zeit verliert, schadet dem Land», erklärte die Lega am Freitag. Salvini dringt auf eine schnelle Neuwahl.
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Entzieht das Parlament dem Regierungschef das Vertrauen, wäre die Populisten-Allianz aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung auch formal am Ende.

Salvini hatte die Regierung am Donnerstag in die Krise gestürzt und dafür ein Votum der Fünf Sterne gegen ein von der Lega unterstütztes Bahnprojekt zum Anlass genommen. Der Rechtspopulist machte am Donnerstag klar, dass er für das Bündnis keine Zukunft mehr sieht und die Italiener schnellstmöglich wählen lassen will.

Der parteilose Regierungschef Conte wies Salvini am Donnerstagabend in die Schranken. «Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren», sagte er.

Conte forderte Salvini stattdessen auf, im Senat dem Land und den Wählern, die auf die «Perspektive des Wandels» vertraut hätten, zu erklären, warum er die Koalition so plötzlich aufkündige. Conte versprach, er werde dafür sorgen, dass es die «transparenteste Regierungskrise» der italienischen Republik werde.

Dem Anführer der rechten Lega warf er vor, dieser wolle aus der Beliebtheit seiner Partei Kapital schlagen. Auch Sterne-Chef Luigi Di Maio beschuldigte Salvini am Donnerstagabend, er habe die Regierung gestürzt, weil er die Umfragen vor die Interessen des Landes gestellt habe.

Salvini selber machte keinen Hehl daraus: Er werde die Italiener auffordern, ihm «alle Befugnisse» zu geben, sagte er in Pescara mit Blick auf eine Neuwahl.

So könnte es nun weitergehen: In der kommenden Woche könnten die Fraktionsvorsitzenden zusammentreffen, um die Senatoren und Abgeordneten aus der Sommerpause zu holen. Die entscheidenden Sitzungen könnten um den 20. August herum stattfinden.

Conte könnte seinen Rücktritt auch jederzeit beim Staatspräsidenten einreichen - allerdings hat er bereits angekündigt, den Weg im Parlament gehen zu wollen.

Wäre die Regierung dann auch formal am Ende, liegt der Ball bei Staatsoberhaupt Sergio Mattarella. Bevor er den Weg zu einer Neuwahl ebnet, könnte er sondieren lassen, ob es auch eine andere Mehrheit im Parlament gibt.

Ist das nicht der Fall, müsste er die Auflösung der Parlamentskammern veranlassen. 60 Tage nach der Auflösung des Parlaments könnte eine Wahl stattfinden - so viele Tage braucht man für die Vorbereitung der Wahl.

Salvini visiert offenbar den 13. Oktober für eine Wahl an. Dafür müssten die Kammern aber schon am 13. August aufgelöst werden, schreibt die Zeitung «Corriere della Sera». Das scheint ziemlich unrealistisch angesichts der vielen Schritte, die jetzt folgen müssen. Wahrscheinlicher wären Termine Ende Oktober oder im November.

Italien bräuchte dringend Stabilität - alleine wegen der desaströsen Wirtschaftslage. Das Land weist mit etwa 2,3 Billionen Euro eine der höchsten Staatsverschuldungen weltweit auf. Die Schuldenquote - also das Verhältnis der Staatsschulden zur Wirtschaftskraft - betrug 2018 mehr als 132 Prozent und war damit die zweithöchste in den 28 Staaten der Europäischen Union hinter Griechenland.

Im Fall einer Neuwahl hält Salvini alle Trümpfe in der Hand: Bei der Europawahl im Mai hatte seine Rechtspartei mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis eingefahren. Schon lange war spekuliert worden, wann Salvini die Koalition platzen lassen würde, um eine Neuwahl herbeizuführen. Möglicherweise bräuchte er einen Koalitionspartner, könnte diesen aber bei den rechten Parteien finden, etwa mit den Fratelli d'Italia.

Die Fünf Sterne waren bei der Parlamentswahl 2018 noch mit Abstand stärkste Partei, liegen in Umfragen jetzt aber weit hinter der Lega. Salvini hat den Sternen in letzter Zeit immer wieder vorgeworfen, Nein-Sager zu sein und die Regierung zu blockieren.

Bei vielen Themen waren sich die ungleichen Partner seit Amtsantritt im Juni 2018 nicht einig - sie stritten zum Beispiel über einen Mindestlohn, Steuersenkungen und die Autonomie für einige Regionen.

veröffentlicht: 9. August 2019 11:58
aktualisiert: 9. August 2019 12:30
Quelle: SDA

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