Mega-Projekt des Kantons erzürnt Gemeinden

· Online seit 11.04.2018, 18:19 Uhr
Der Kanton Thurgau will zwei Strassen quer durch den Thurgau bauen. Nun hat er den betroffenen Gemeinden einen Vorprojekt-Entwurf für die sogenannte Oberlandstrasse (OLS) präsentiert. Altnau, Lengwil, Münsterlingen und Langrickenbach passt der Entwurf jedoch gar nicht.
Leila Akbarzada
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Urs Brüschweiler/Tagblatt

Eigentlich hätte die Öffentlichkeit erst in ein paar Wochen orientiert werden sollen. Doch nachdem der Kanton die betroffenen Gemeindebehörden vorab über die aktuelle Planung der Oberlandstrasse informierte, ist das Thema nun schon in der Welt und wird rege diskutiert. «Die Grundeigentümer erhalten diese Woche ein Schreiben vom Tiefbauamt», sagt Kantonsingenieur Andy Heller. Und am 7. Mai werde es in der Mehrzweckhalle Lengwil-Oberhofen einen Informationsanlass für die interessierte Bevölkerung geben.

Brisantes Thema: Anschluss des Spitals

Was dann am meisten zu reden geben könnte – und in den Gemeinderäten heute schon heiss diskutiert wird – ist der in Frage gestellte Anschluss der Oberlandstrasse zum Kantonsspital Münsterlingen. In den Plänen verzeichnet war bisher ein Abzweiger nördlich von Schönenbaumgarten. Dieser soll, teilweise untertunnelt, bis zum gerade im Bau befindlichen neuen Kreisel östlich des Spitalcampus hinab führen.

Aber: «Der Anschluss Münsterlingen ist gemäss unseren Verkehrsmodellrechnungen nicht optimal», sagt Andy Heller. Die Wirkung der Strasse sei eher gering und das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht das beste. Auch weil es eine besondere Landschaftskammer mit Sicht auf den Bodensee sei, habe man nach anderen Optionen gesucht. So kommt nun die Variante Waldhofstrasse ins Spiel: Der Verkehrsknoten bei Schönenbaumgarten verschiebt sich dabei um etwa 500 Meter nach Osten und der Anschluss führt auf der Waldhofstrasse hinab bis zur Alten Landstrasse ob Landschlacht.

Das bringe aus Sicht des Kantons mehrere Vorteile, erklärt Kantonsingenieur Andy Heller. Es werde eine bestehende Strasse ausgebaut und keine neue angelegt. Und zum anderen sei der Eingriff in die Landschaft so bedeutend kleiner. «Im Verkehrsmodell zeigt sich zudem, dass diese Anschlussvariante den Verkehr deutlich besser bündelt.»

Gemeinden sind unzufrieden

Ein Nachteil sei jedoch, attestiert Heller, dass auf der Achse Altnau-Güttingen etwas mehr Verkehr entstehen würde. Dies ist der Hauptkritikpunkt, an welchem sich der Altnauer Gemeindepräsident Hans Feuz stört. «Der Verkehr wird so in Landschlacht und in Altnau zum Teil erheblich zunehmen», sagt er. Dabei wolle man die Strasse durch das Altnauer Zentrum künftig eher beruhigen. Feuz ärgert sich zudem, dass die raumplanerischen Auswirkungen dieser Variante mit seiner Gemeinde nie diskutiert wurden. «Wir waren an der Präsentation überrascht und befremdet», sagt Feuz. Nun gelte es jedoch die Diskussion zu suchen. Er sei zuversichtlich, dass man eine Lösung finde, die allen Bedürfnissen gerecht werde.

Keine Freude in Münsterlingen

In Münsterlingen findet man an der Variante Waldhofstrasse auch keinen Gefallen. Von ihnen stamme diese Idee sicher nicht, stellt Gemeindepräsident René Walther klar und betont, dass sie für Münsterlingen nicht in Frage komme. «Der Gemeinderat hat nur in Frage gestellt, ob es die Stichstrasse bis zum Spitalkreisel überhaupt, oder vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt, brauche.» Die Schulstrasse von Scherzingen am Vita-Parcours-Parkplatz vorbei bis Schönenbaumgarten existiere bereits. Sie könne den lokalen Zubringerverkehr auf die Oberlandstrasse bewältigen, sagt Walther. Diese Idee habe der Kanton als zusätzliche dritte Variante im Hinterkopf, erklärt Andy Heller. Die Diskussionen, welche Variante am Ende zum Zug kommen wird, werde man in der Vorprojekt-Vernehmlassung führen, die 2019 abgeschlossen werden soll.

Auch Langrickenbach hat grosse Vorbehalte

Es dürften harte Diskussionen werden. Denn auch in Langrickenbach sind die Reaktionen alles andere als begeistert. «In der neuen Linienführung in Schönenbaumgarten mit dem Anschluss nach Landschlacht anstatt zum Spital erkennt unsere Behörde keine Vorteile», schreibt Gemeindepräsidentin Fabienne Schnyder. Sie geht davon aus, dass der Kulturlandverlust etwa gleich hoch sein dürfte. «Wir stellen uns schon die Frage, ob es sinnvoll ist, Landschlacht mit Mehrverkehr zu versorgen und zu riskieren, dass der motorisierte Individualverkehr später über andere Wege anstatt über die OLS zum Spital gelangt.»

Ohne BTS keine OLS

Um die Oberlandstrasse war es ruhiger geworden. Nach der Volksabstimmung 2012 über BTS/OLS steht die Frage im Fokus der Aufmerksamkeit, ob und wann der Bund die Bodensee-Thurtalstrasse baut. Dennoch erarbeitet der Kanton seit Sommer 2016 ein OLS-Vorprojekt. Die Strasse Bätershausen-Oberaach soll gleichzeitig fertig sein, wie die erste Etappe der BTS von Arbon bis Amriswil. Die OLS soll den aus der BTS resultierenden Mehrverkehr zwischen Amriswil und Kreuzlingen aufnehmen. Ohne die BTS wird die OLS nicht gebaut. Im Gegensatz zur BTS muss die OLS der Kanton finanzieren.

Anpassungen in Lengwil und Langrickenbach

Im OLS-Abschnitt Lengwil/Dettighofen ist die östliche Überdeckung deutlich kürzer geworden, als man es noch 2011 vorgesehen hatte. Das habe technische Ursachen, erklärt Kantonsingenieur Andy Heller. Wegen drei Bachquerungen, die hochwassersicher gestaltet werden müssen, seien die Möglichkeiten stark eingeschränkt. Für Matthias Rutishauser, Lengwiler Gemeinderat und Präsident des Vereins zum Schutz von Kulturland in ländlichen Gebieten, ist das ein Wortbruch des Kantons. Die Tunnel seien bei der Abstimmung versprochen worden. Er vermutet, dass der Kanton bei der OLS Kosten sparen müsse, weil die BTS teurer geworden sei. Das lässt Heller nicht gelten. «Die Strassen werden unterschiedlich finanziert. Es geht uns einzig um die beste Lösung. Die OLS liegt immer noch im Kostenrahmen von 220 Millionen Franken mit einer Genauigkeit von +/- 25 Prozent». Missmutig ist auch Langrickenbach. Gemeinsame Vorschläge mit Lengwil zur Linienführung seien nicht berücksichtigt worden. Beide Behörden seien enttäuscht, schreibt Gemeindepräsidentin Fabienne Schnyder. Auch mache man sich Sorgen über die Linie Rutishausen-Oberaach. Es drohe ein gewaltiger Kulturlandverlust.

veröffentlicht: 11. April 2018 18:19
aktualisiert: 11. April 2018 18:19

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