Mit Saft gegen den Staufrust

· Online seit 20.06.2019, 05:47 Uhr
Weil die Umfahrungsstrasse gesperrt ist, werden Autofahrer noch bis Ende Juli durch Lichtensteig gelotst. Es staut regelmässig. Eine Gruppe Frauen hat sich für die Staugeplagten etwas einfallen lassen.
Dario Brazerol
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Es ist kurz nach 16 Uhr und die Strassen in Lichtensteig sind fast leer. Nur vereinzelt rollt ein Auto durch das Dorf und doch, die Verkehrslotsen stehen in der brütenden Nachmittagssonne schon bereit. Denn in Lichtensteig herrscht seit Anfang Mai zu den Hauptverkehrszeiten ein reges Verkehrsaufkommen, weil die Umfahrungsstrasse saniert wird. Der Stau ist damit kaum zu umgehen und gerade bei sommerlichen Temperaturen kann dies auf das Gemüt eines jeden Autofahrers schlagen. Doch Hilfe naht, und zwar in Form der «Wilden Weiber Lichtensteig» und ihrem Stauplausch.

«Wollen den Stau versüssen»

«Darf es eine kleine Erfrischung sein?», fragt eine der Frauen des Vereins «Wilde Weiber Lichtensteig», als gerade ein Auto vor dem Kreisel im Dorf anhält. Apfelsaft und Feuchttücher halten die Frauen, alle in Orange und Violett gekleidet, bereits in den Händen. Die einen Autofahrer lassen bereitwillig ihre Autoscheibe runter, andere lehnen dankend ab. An drei Standorten im Dorf haben sich die Frauen positioniert. Jede von ihnen freiwillig, sagt Aktuarin Jeannine Blatter: «Wir wollen den Leuten den Stau versüssen. Weil die Umfahrung gesperrt ist, können wir in diesem Jahr unseren ‹langen Tisch› nicht veranstalten. So können wir trotzdem etwas Gutes für das Städtchen tun.»

500 Apfelsäfte und genau so viele Feuchttücher liegen für die Staugeplagten bereit. Die «Wilden Weiber» selbst gönnen sich neben der Arbeit ein Cüpli, halten einen Schwatz und geniessen die Sonne. «Wann kommt das Bier?», fragt einer der vorbeibrausenden Autofahrer. Doch trotz des näherrückenden Feierabends wird heute auf den Gerstensaft verzichtet. Um 17 Uhr stehen die ersten Kolonnen in Lichtensteig - wie fast jeden Abend seit Beginn der Bauarbeiten. Für die «Wilden Weiber» ist es bereits die zweite Aktion des Stauplausches: «Beim ersten Mal haben wir Kaffee und Gipfeli verteilt. Zu 95 Prozent sind wir damit auf Begeisterung gestossen. Fünf Prozent dachten aber, dass wir spinnen, und so nur noch mehr Stau generieren.»

Nach 90 Minuten ausgeschossen

Die Verkehrslotsen schauen immer wieder nervös zu den anstehenden Autos. Auf lange Schwätzchen mit den Autofahrern dürfen sich die «Wilden Weiber» nicht einlassen. Effizient verteilen sie Säftchen um Säftchen, werfen diese zum Schluss gar nur noch durch die runtergelassenen Fensterscheiben. Und es zahlt sich aus: Schon 90 Minuten nach Start der Aktion sind die «Wilden Weiber» ausgeschossen. Ein Grund, aufzuhören? Keinesfalls. Im lokalen Supermarkt werden die letzten verfügbaren Getränke organisiert.

Mit der Saft-und-Tüechli-Aktion ist die Arbeit der «Wilden Weiber» aber noch nicht getan. Die Sperre wird noch bis am 31. Juli andauern. Was bis dahin noch geplant ist, wird aber noch nicht verraten, sagt Jeannine Blatter: «Wir haben noch etwas für die Leute im Köcher. Sie müssen sich einfach überraschen lassen.»

veröffentlicht: 20. Juni 2019 05:47
aktualisiert: 20. Juni 2019 05:47

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