Es war ein Kampf gegen Windmühlen: Mit 79 zu 30 Stimmen lehnte der Thurgauer Grosse Rat heute einen Vorschlag ab, wonach die Regierung ein Öffentlichkeitsgesetz hätte ausarbeiten müssen. Jede Person hätte das Recht erhalten, amtliche Dokumente einzusehen, wie zum Beispiel Umweltgutachten für Bauprojekte oder Protokolle von Gemeinderatssitzungen.
Die Regierung habe in ihrer Stellungnahme falsch informiert, sagt der grünliberale Kantonsrat Ueli Fischer, welcher den Vorstoss für ein Öffentlichkeitsgesetz lanciert hat. Die Erfahrungen anderer Kantone zeigten, dass mit dem Gesetz kein Mehraufwand entstehe.
Thurgau ist nicht allein
Gerade gestern hat sich auch der Kanton Luzern mit dem Öffentlichkeitsprinzip beschäftigt. Mit einem Mehr von 87 zu 28 Stimmen hat das Parlament die Einführung eines Gesetzes ebenfalls wuchtig abgelehnt. Massiver Widerstand kam in Luzern vor allem von den Gemeinden. Diese argumentierten allerdings mit widersprüchlichen Argumenten: Einerseits sei die Umsetzung für die Gemeinden ein zu grosser Aufwand. Andererseits bestehe in der Bevölkerung zu wenig Interesse nach gemeindeinternen Dokumenten.
Seit 2006 gilt das Öffentlichkeitsprinzip beim Bund und seit 1995 im Kanton Bern. Die meisten Kantone sind inzwischen gefolgt. Nicht so der Grossteil der Innerschweiz (Glarus, Luzern, Nidwalden, Obwalden) und der Ostschweiz (Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Thurgau).
Geheimniskrämerischer Innerrhoden
Appenzell Innerrhoden gehört zu den wenigen Kantonen, die dem Geheimhaltungsprinzip treu geblieben sind. Die Behörden entscheiden also selbst, welche Dokumente sie der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen. Laut Marcel Hänggi, freier Journalist für oeffentlichkeitsgesetz.ch, sind momentan auch keine Bestrebungen im Gange, daran etwas zu ändern.
Ausserrhoden als Vorreiter
Die Ausserrhoder haben bereits im Jahr 1996 ein Informationsgesetz eingeführt und waren damit, nach Bern, der zweite Kanton schweizweit. Streng genommen genügt das Gesetz allerdings nicht dem Öffentlichkeitsprinzip. Der Zugang zu amtlichen Dokumenten ist im ausserrhodischen nur mit dem Nachweis eines «berechtigten Interesses» möglich. Damit ist Ausserrhoden trotz seiner Vorreiterrolle nicht ganz so transparent, wie es auf den ersten Blick scheint.
St.Gallen sträubte sich
2003 ist die neue St.Galler Kantonsverfassung in Kraft getreten und hat das Öffentlichkeitsprinzip eingeführt. Theoretisch jedenfalls. Denn gegen das Gesetz, welches die Details regeln sollte, wehrten sich die bürgerlichen Parteien und die Gemeinden.
Eine Wattwiler Grundstückbesitzerin beantragte schliesslich mehrmals Einsicht in den Umweltverträglichkeitsbericht für eine Umfahrungsstrasse. Das kantonale Tiefbauamt verweigerte die Herausgabe mit der Begründung, es bestehe kein Rechtsanspruch.
Das Gericht gab der Frau jedoch Recht und das Parlament führte widerwillig ein Öffentlichkeitsgesetz ein. Seit Ende 2014 ist dieses nun Realität. Gelebt wird es aber nur halbherzig, denn St.Gallen kennt weder einen Öffentlichkeitsbeauftragten noch eine Fachstelle für das Öffentlichkeitsgesetz.
Laut Benedikt van Spyk, Leiter Recht und Legistik, hat es seit der Einführung keinen grossen Anstrum gegeben. «Wir sind froh, dass das Verwaltungsgericht mittlerweile recht genau eingegrenzt hat, welche Unterlagen unter das Öffentlichkeitsgesetz fallen», sagt er. Der Kanton leiste beispielsweise keine Recherchearbeit. Man müsse genau wissen, welches Dokument man sehen wolle.
Gegenwind in Graubünden
Grundsätzlich will Graubünden das Öffentlichkeitsprinzip einführen, der Kanton stösst jedoch auf massiven Widerstand der Gemeinden. In den meisten kantonalen Regelungen zum Öffentlichkeitsprinzip ist die kommunale Ebene miteingeschlossen. Nun will die Regierung die Gemeindeverwaltungen vom Gesetz ausnehmen. Diese Regelung kennt sonst nur Uri.
Ostschweiz kommt nicht vom Fleck
Mit dem heutigen Nein des Kantons Thurgau bleibt die Ostschweiz eine Informationswüste. Darüber hinweg tröstet auch nicht, dass es nur in der Innerschweiz noch mehr Kantone ohne Öffentlichkeitsprinzip gibt.