«Du fühlst dich wie ein Arschloch»

03.07.2017, 06:02 Uhr
· Online seit 01.07.2017, 13:27 Uhr
Am Freitagabend hatten «Die Toten Hosen» ihr Konzert am OASG. Vorab stellte sich Gitarrist «Breiti» den Fragen von FM1-Wachmacher-Moderatorin Nadja Bischof. Er erzählt von 48-Stunden-Parties, brennender Leidenschaft, Latino-Musik und nervigen Interview-Fragen.
Leila Akbarzada
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Breiti, nun ist es fünf Jahre her, seit ihr das letzte Mal hier gewesen seid. Mit welchen Erinnerungen kommt ihr ins Sittertobel zurück?

Wir kommen mit den besten Erinnerungen. Ich weiss noch, dass es sehr heiss war, als wir das letzte Mal hier waren, und die Stimmung war super. Ich weiss auch noch, dass ich einen super Tag hatte, da auch Freunde von mir da waren aus anderen Teilen der Schweiz. Das OASG ist immer eine gute Gelegenheit, sich zu treffen.

Und jetzt, wo Regen angesagt ist?

Klar ist es schöner, bei Sonnenschein zu spielen. Am wichtigsten ist immer, dass es keinen Sturm gibt, wegen der ganzen Festival-Anlage. Wenn es schüttet, kann es schwierig werden. Aber bei viel Regen kann auch eine ganz spezielle Scheissegal-Stimmung entstehen, und das ist dann auch wieder gut.

Ihr habt nun schon 35 Jahre Erfahrung. Wie wird denn ein Konzert richtig gut?

Wir freuen uns immer wieder auf die Konzerte, weil das unsere Leidenschaft ist. Die Musik ist der Motor und der Treibstoff. Ein Konzert ist dann geglückt, wenn ein Gemeinschaftsgefühl mit den Fans entsteht.

Kommen wir zu eurem neuen Album, «Laune der Natur». Warum dauerte es fünf Jahre, bis es fertig war?

Wir hatten mehrere andere Projekte am laufen, zum Beispiel waren wir an einer Biographie dran, die wir in Zusammenarbeit mit einer befreundeten Journalistin machten. Damit waren wir sehr beschäftigt, sicher sechs Monate. Dazu kam ein Musikprojekt mit der Musikhochschule in Düsseldorf. Dann wurde es tatsächlich recht knapp mit dem Album, aber wir haben es zum Glück doch vor dem Festivalsommer fertig geschafft.

Der Song «Unter den Wolken» ist wieder eine Hymne. Wie macht ihr das?

Es läuft nur nach dem Gefühl. Wir machen immer zuerst die Musik, dann schreibt Campino die Texte dazu. Es gibt überhaupt keine Regel, wie es zu unseren Liedern kommt. Es sind einfach Ideen, die manchmal funktionieren, manchmal nicht. Es ist ein endloses Suchen, manchmal auch in Depressionen verfallen, dann wieder aufraffen, und so weiter. Falls es ein Rezept dafür gibt und ihr das kennt, dann sagt es uns bitte.

Wie sieht eure Zukunft aus? Werdet ihr noch lange auf der Bühne stehen?

Wir machen keine Pläne. Die Leidenschaft ist da, sie brennt lichterloh. Irgendwann wird es sich vielleicht legen, aber solange wir die Leidenschaft haben, machen wir weiter.

Und wie ist es mit dem ganzen Drumherum? Zum Beispiel Interviews geben?

Das ist ja kein Müssen, insofern ist das ok. 99,9 Prozent der Menschen, mit denen man spricht sind freundlich und haben sich vorbereitet. Es kommt ganz selten vor, dass jemand irgendwas schreibt, was man nicht gesagt hat.

Gibt es Fragen, bei denen du denkst: Wie kann man nur so etwas fragen?

Also wenn nach 35 Jahren immer noch einer fragt: Erzähl doch mal, wie ihr damals 1982 zusammengekommen seid, dann finde ich das etwas mühsam. Ich weiss es nämlich selber nicht mehr genau.

Wie kam es eigentlich zu diesen Wohnzimmerkonzerten, von denen ihr eines in der Schweiz im April in Steffisburg gegeben habt?

Wir nennen das «Magical Mystery Tour», angelehnt an den Song der Beatles. Die Idee ist, dass wir an privaten Orten spielen. Das kann bei Leuten zuhause sein oder in psychiatrischen Kliniken oder auf einer Berghütte. Wir haben auch schon in einer Klosterschule gespielt. Meistens sind nicht mehr als 50 Leute da. Die Idee ist wirklich, dass wir viel Zeit mit den Leuten verbringen, bei denen wir spielen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Die Idee hatten wir erstmals 1983. Damals wollten wir einfach mal eine Tour machen, ohne zu wissen, wo wir zwei Tage später sein werden. Dann sind wir losgefahren mit ein paar Telefonnummern und haben gefragt: «Kriegt ihr das hin? Wir sind übermorgen da. Besorg einen Gitarrenverstärker, was zu Essen und einen Schlafplatz, dann kommen wir vorbei.» Jetzt machen wir das wieder, halt in einer etwas anderen Form. Wir bitten Leute, sich bei uns zu bewerben, und viele machen dann ganz tolle Videos, oder Hörspiele, oder basteln irgendwas.

Wie oft führt ihr solche Events durch?

Solche Feste sind aber immer sehr intensiv, da wird richtig gefeiert. Campinos Stimme ist dann eigentlich der Knackpunkt und schreibt uns vor, wie häufig wir so was machen können.

Stichwort Party: Feiert ihr denn an so Festivals wie am OASG noch richtig ab, oder seid ihr ruhiger geworden?

Ja das hat sich natürlich verändert. Wir haben unsere Lektion gelernt. Da gab es einschneidende Erlebnisse wie zum Beispiel vor 25 Jahren, bei zwei Konzerten in Zürich. Wir haben uns echt lange zusammengerissen, aber an den zwei Tagen und Nächten vor diesen beiden Konzerten sind alle Dämme gebrochen. Das waren noch die Zeiten, wo wir uns mit allen möglichen Drogen vollgestopft haben. Wir haben 48 Stunden durchgefeiert, und wir mussten das Konzert, also das erste der beiden, nach 20 Minuten abbrechen. Und das vor einem Publikum von 2000 Leuten. So ein Gefühl will man nie nie nie wieder haben. Man kommt sich vor wie das letzte Arschloch. In die Richtung hatten wir ein zwei Erlebnisse, und dann weiss man, wie die Kräfte einzuteilen sind.

Du sprichst fliessend Spanisch. Kannst du etwas mit Latino-Musik anfangen?

Ich war sehr viel in Südamerika unterwegs, privat und auch mit der Band, da kriegt man auch ein ganz anderes Verständnis für die Musik, wie beispielsweise Samba in Brasilien. Ich mag zum Beispiel Desorden Publico, eine Band aus Caracas. Die machen so eine typisch südamerikanische Mischung aus Ska und Punk. Die mischen dann noch Merengue oder Salsa rein, das ist fantastisch. Da gibt es sehr viel zu entdecken.

Auch Andi hatte kurz Zeit für ein Interview. TVO-Videojournalist Roger Inauen hat ihn befragt. Das komplette Interview seht ihr in der TVO-Spezialsendung am Sonntag um 18 Uhr.

veröffentlicht: 1. Juli 2017 13:27
aktualisiert: 3. Juli 2017 06:02
Quelle: red.

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