Online-Shops verzichten auf Rücksendungen

· Online seit 28.05.2019, 05:41 Uhr
Schweizer Online-Händler verzichten des öfteren darauf, dass günstige Produkte retourniert werden müssen, wenn diese defekt sind oder schlichtweg nicht gefallen. Was sich nach Goodwill der Händler anhört, hat aber mit deren Eigeninteresse zu tun.
Dario Brazerol
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«Wenn Sie dieses Produkt nicht möchten, können Sie es verschenken oder zerstören.» Diese Meldung hat Melanie aus Winterthur erhalten, als sie ein Handy-Case, welches nicht gepasst hat, an den Online-Händler Apfelkiste.ch zurücksenden wollte. «Ich dachte zuerst, ich sehe nicht richtig. Nachdem ich nachgefragt habe, wurde mir dies aber so bestätigt», sagt Melanie. Was sich auf den ersten Blick befremdlich liest, ist mittlerweile gängige Praxis unter den Online-Shops.

Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht

«Meistens ist der administrative Aufwand zu gross, um die Rücksendung eines solchen Artikels zu bearbeiten», erklärt die Leitung des Kundendiensts von Apfelkiste.ch. Konkret geht es dabei um das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Da die Rücksendung für den Kunden gratis ist, kann es vorkommen, dass der Händler auf den Portokosten sitzen bleibt. Die Produkte befinden sich preislich aber meist in einem tieferen Segment. Genaue Zahlen kann Apfelkiste.ch aber nicht angeben: «Dies ist abhängig von von mehreren Faktoren wie beispielsweise die Lieferantenvereinbarungen, die Bestellhistorie des Kunden, welcher einen Artikel zurücksenden möchte, und dem Grund der Rücksendung.» Diese Gründe können unter anderem ein defektes Produkt oder schlichtweg «Nichtgefallen» sein.

Ähnlich sieht dies beim Online-Händler Digitec aus. «Produkte mit kleinem Warenwert von circa 40 bis 50 Franken müssen bei uns nicht retourniert werden», bestätigt Rico Schüpbach von Digitec. «Allerdings muss das Produkt bei uns effektiv defekt sein, damit wir die Rücksendung erlassen und das Geld rückerstatten.» Ob die Produkte aber tatsächlich kaputt sind, könne Digitec nicht kontrollieren – das Vertrauen in die Kunden sei gross. «Die defekten Produkte müssen so oder so geschrottet werden und könnten nicht zurück in den Verkauf. Wir sehen dies als Service für unsere Kunden.» Dass dieser Service aber ausgenutzt werden kann, ist auch den Verantwortlichen von Apfelkiste.ch bewusst: «Es gibt bestimmt Einzelfälle, wo dies vorkommt. Allerdings verfügen wir über ein gutes Sicherheits- und Kontrollsystem, durch welches unsere Kunden dies nicht zur Regel machen können.»

«Bis zu fünf Mal täglich - Tendenz steigend»

Bis jetzt habe sich dieses Vorgehen für Apfelkiste.ch ausgezahlt: «Durch unsere Kulanz können wir immer wieder neue Stammkunden gewinnen und allgemein die Kundenzufriedenheit steigern, was sich aktuell und bestimmt auch zukünftig positiv auf unsere Zahlen auswirken wird.» Auch bei Brack wird nach diesem Prinzip gehandelt, erklärt Mediensprecher Daniel Rei: «Aktuell tritt dieser Fall bei uns bis zu fünf Mal täglich ein – Tendenz steigend.» Der Grund dafür ist das immer grösser werdende Sortiment an günstigen Artikeln. Allerdings muss auch bei Brack ein Defekt oder Mangel beim Produkt vorliegen. Die Entscheidung, den Kunden die Rücksendung zu erlassen, habe aber auch ökologische Gründe: «Die Emissionen durch den Rücktransport sind nicht zu missachten.»

Melanie aus Winterthur hat sich schliesslich dazu entschieden, ihre Handy-Hülle zu behalten. Ein schaler Nachgeschmack bleibt allerdings: «Heute, wo überall von Nachhaltigkeit gesprochen wird, scheint mir der Verschenken-oder-Zerstören-Ansatz etwas befremdlich.»

veröffentlicht: 28. Mai 2019 05:41
aktualisiert: 28. Mai 2019 05:41

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