Eine Hommage ans stoffige «Nastüechli»

05.07.2019, 08:56 Uhr
· Online seit 05.07.2019, 08:22 Uhr
Heute sind Taschentücher aus Papier, ein Alltagsutensil: Sie werden benutzt und weggeworfen. Eine schöne Ausstellung im Museum Appenzell erinnert an ihre Bedeutung, als sie noch aus Stoff und kostbar waren.
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Die Ausstellung beginnt im Parterre des Museums mit Auslagen von Taschentüchern, wie sie früher in Schaufenstern von Geschäften präsentiert wurden. Zu sehen sind sie in allen möglichen Farben und Designs. Der Zeitgeist der 1950-er und 1960-er Jahre lässt sich unschwer herauslesen.

Taschentuch war kostbar

Im ersten Stock geht es um die Zeit, als in die Stoffquadrate noch nicht profan hineingeschneuzt wurde. Taschentücher waren luxuriöse Zierstücke, sorgfältig ausgewähltes modisches Beiwerk - eigentliche Kostbarkeiten. In den 1870-er Jahren bewahrten Damen das parfümierte Tüchlein im Dekolleté oder im Ärmel auf.

Der Ort der Ausstellung ist kein Zufall: Appenzell war ab 1920 ein wirtschaftliches Zentrum für die Herstellung und Veredelung von Taschentüchern. Aus kleinen Betrieben entwickelten sich eigentliche Taschentuchfabriken mit zahlreichen Arbeitsplätzen und Exporten in alle Welt. Unter anderem liessen die Unternehmen bei der Firma Jura extra schwere Bügeleisen herstellen, damit die Tüchlein effizient gebügelt werden konnten.

Stickarbeiten für Heimarbeiterinnen

Die Rolle der Frauen war bei Produktion und Verkauf zentral: Die sogenannten Ferggerinnen arbeiteten zum Teil direkt mit den Agenten von grossen Pariser Kaufhäusern zusammen. Sie nahmen Aufträge entgegen und garantierten für deren Qualität. Die Stickarbeiten gaben sie dann an Heimarbeiterinnen weiter.

Die noch aus der Hochblüte der Stickereizeit stammende Fingerfertigkeit der Appenzellerinnen mit der Nadel erwies sich als entscheidender Standortvorteil. Sie versahen die feinen Stoffe mit verschlungenen Monogrammen, kunstvollen Blumenmotiven, oder fertigten als Rouliererinnen Rollsäume an.

Verschiedenste Sujets und Muster

Kreativität war dabei stets gefragt. Bei bedruckten Taschentüchern verlangten die Kundinnen und Kunden immer wieder neue Entwürfe. In der Ausstellung zu sehen sind etwa Musterbücher der Firma Huber-Lehner AG ab den 1950-er Jahren. Jeden Frühling und Herbst wurden neue Kollektionen kreiert. Sujets, Muster und Farben richteten sich jeweils nach der neuesten Mode.

Die Blütezeit der Taschentücher dauerte ein paar Jahrzehnte und ist längst vorbei. Die Ausstellung lässt nun diese vergangene Zeit wieder aufleben. Sie dauert noch bis zum 3. November.

veröffentlicht: 5. Juli 2019 08:22
aktualisiert: 5. Juli 2019 08:56
Quelle: SDA

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