Bühler

«Keine Führung»: Gleich vier Gemeindemitarbeiterinnen kündigen

05.11.2021, 18:43 Uhr
· Online seit 05.11.2021, 15:43 Uhr
Das Ausserrhoder Dorf Bühler kommt nicht recht zur Ruhe: Nachdem bereits der Wahlkampf um das Gemeindepräsidium vor zwei Jahren für Stunk sorgte, scheint der Haussegen im Gemeindegebäude erneut schief zu hängen. Gleich vier Mitarbeiterinnen kündigten kürzlich ihre Arbeitsverhältnisse.
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Dass es in der Gemeinde Bühler im Kanton Appenzell Ausserrhoden nicht immer harmonisch zu- und hergeht, ist spätestens seit der umkämpften Wahl um das Gemeindepräsidium 2019 zwischen der damaligen Amtsinhaberin Inge Schmid und ihrem Herausforderer Jürg Engler kein Geheimnis mehr. Damals setzte sich Engler, unterstützt von der FDP und SP, durch. SVP-Politikerin Schmid wurde nach 15 Jahren Präsidentschaft abgewählt. Im Vorfeld der Wahl wurde damals mit teils harten Bandagen gekämpft, gegenseitige Vorwürfe der Kandidierenden wurden öffentlich ausgesprochen.

Quelle: tvo

Gemeinderat bedauert Kündigungen

Nun kracht es in der Bühlerer Gemeindeführung erneut. Gleich vier Mitarbeiterinnen der Gemeindeverwaltung kündigen ihr Arbeitsverhältnis auf Ende Januar 2022. In einer Medienmitteilung nimmt der Gemeinderat Bühler wie folgt Stellung zur Trennung: «Der Gemeinderat bedauert diesen Schritt, denn er hätte den laufenden extern begleiteten Veränderungsprozess gerne mit dem bestehenden Personal bewältigt. Doch leider sind die Vorstellungen bezüglich der Art und Weise der Zusammenarbeit zu unterschiedlich.»

Die vier zurücktretenden Verwaltungsmitglieder äussern im Gespräch mit FM1Today ebenfalls Bedauern ob ihres Weggangs – allerdings hätten sie schlicht keinen anderen Ausweg mehr gesehen.

«Keine Kurzschlusshandlungen»

Sie halten fest, dass es sich bei der Kündigungswelle nicht um eine koordinierte Aktion der vier Mitarbeiterinnen handelt, sondern dass diese Entscheidungen unabhängig voneinander getroffen worden seien: «Es handelt sich auch nicht um Kurzschlusshandlungen, den Entscheidungen ging ein langer Prozess voraus.» Sie hätten auch das Gespräch mit dem Gesamtgemeinderat gesucht, eine nachhaltige Veränderung der Situation sei aber nicht eingetreten. Deshalb haben die Mitarbeiterinnen nun die Reissleine gezogen.

Auf Details wollen die betroffenen Mitarbeiterinnen nicht eingehen. Aber: Das grundlegende Problem der Zurücktretenden, so viel ist klar, betrifft den Führungsstil des Gemeindepräsidenten: «Es ist zu wenig Führung vorhanden. So konnte man nicht zusammenarbeiten.» Zwei der Mitarbeiterinnen betonen zudem, dass dieser Eindruck nichts mit dem Führungsstil von Englers Vorgängerin Inge Schmid zu tun hat – schliesslich hätten sie ihre Stellen erst nach der Abwahl Schmids angetreten und könnten somit die Art und Weise der Führung gar nicht vergleichen.

Nicht die erste Kündigung

Dass in der Führungskultur rund um den Gemeinderat des Ausserrhoder Dorfs ein gewisses Reibungspotenzial existiert, lässt sich kaum von der Hand weisen. Nebst den vier Mitarbeiterinnen, die nun zurücktreten, hat im vergangenen Jahr eine weitere Angestellte gekündigt. Gleiches gilt für einen 2020 neu eingestellten Gemeindeschreiber, der bereits nach fünf Monaten wieder kündigte, aufgrund «unterschiedlicher Auffassungen», wie das St.Galler Tagblatt damals schrieb.

Bleibt einem also nur der Gang zur Tür, wenn man nicht mit dem im Gemeindehaus herrschenden Führungsstil klar kommt? Gemeindepräsident Jürg Engler verneint: «So würde ich das nicht sagen. Dem Gemeinderat und mir ist wichtig, dass die operative Führung dort ist, wo sie hingehört – bei der Gemeindeschreiberin.» Über weitere Themen könne man sich durchaus austauschen. Wenn man danach aber weiterhin das Gefühl habe, dass es nicht passt, sei es natürlich eine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Trotz Gesprächen keine gemeinsame Lösung gefunden

Genau das ist nun im Falle der vier Mitarbeiterinnen geschehen – trotz des Versuchs, über einen gemeinsamen Austausch Lösungen zu finden. «Wir haben auch eine externe Begleitung für diese Gespräche dazugeholt», erklärt Engler. Obwohl der Austausch noch nicht abgeschlossen gewesen sei, hätten die betroffenen Mitarbeiterinnen nun offensichtlich entschieden, dass ihnen der angestossene Prozess nicht reiche.

Abgesehen vom führungsspezifischen Grundsatz – dass die operative Führung bei der Gemeindeschreiberin liegen soll – ist der Bühlerer Gemeindepräsident bereit, über Massnahmen zur künftigen Verhinderung einer Situation wie der aktuellen zu sprechen. Es sei natürlich im Interesse der Gemeinde, dass es nicht zu solchen Kündigungswellen komme.

Die Polarisierung im Dorf hinter sich lassen

Eine Neuerung gibt es bereits: Gemeinderat Rolf Walser wurde neu in die Kanzleikommission gewählt und soll als deren Präsident Ansprechspartner für Anliegen des Personals sein. «Damit wird die Führung auf strategischer Ebene gestärkt und breiter abgestützt», so Engler. Und auch wenn er die Kündigungen bedauere, sehe er in der Anstellung von neuem Personal nun auch eine Chance.

Ob sich damit alle Störfrequenzen, die den Haussegen im Bühlerer Gemeindegebäude schief hängen liessen, endgültig aus der Welt räumen lassen, ist unklar. Gemeindepräsident Engler dürfte aber vielen Einwohnenden und vor allem auch sich selbst aus dem Herzen sprechen, wenn er sagt: «Ich wünsche mir jetzt, dass das Dorf zur Ruhe und aus der Polarisierung heraus kommt.»

veröffentlicht: 5. November 2021 15:43
aktualisiert: 5. November 2021 18:43
Quelle: FM1Today

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