Alpstein

Unterwegs mit dem Wegmacher: «Ich mache das bis zur Pension»

29.06.2020, 10:05 Uhr
· Online seit 29.06.2020, 05:47 Uhr
Er kennt jeden und jeder kennt ihn: Patric Hautle, der Wegmacher im Alpstein, grüsst Bergwirte, Wanderer und Sennen. Seinen Job, die Appenzeller Wanderwege in Schuss zu halten, macht er mit Leidenschaft. Wir haben den Appenzeller einen Tag lang begleitet.
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Als es giesst wie aus Eimern, sind wir in der Wirtschaft. «An so einem Tag kann man mit gutem Gewissen auch mal länger im Znüni bleiben», sagt Patric Hautle. «Gäll, Ueli?!» Wir sind auf der Terrasse im Plattenbödeli, der Wirt sitzt mit uns am Tisch und trinkt einen Espresso.

Seit elf Jahren kümmert sich Patric Hautle um die Wanderwege im Appenzellerland. Er kennt nicht nur jeden der rund 500 Kilometer Wanderwege im Kanton Appenzell Innerrhoden, sondern auch jeden Bergwirten, jeden Bauern, der im Sommer zur Alp geht und jeden regelmässigen Alpstein-Gänger.

Zusammen mit dem Gehilfen Ueli, der ihn schon den dritten Sommer in Folge unterstützt, fährt Patric jeden Morgen von Appenzell hoch in den Alpstein und kümmert sich darum, dass Herr und Frau Schweizer hier stolperfreie Wandertage verbringen können.

Baustelle über Baustelle

Heute bleibt das Auto in der Bollenwees stehen. Weiter geht es zu Fuss, die heutige Baustelle liegt rund eine halbe Stunde zu Fuss entfernt – oberhalb der Saxer Lücke will der Wegmacher schon seit Jahren ein Stück Weg fixieren. Und so laden Patric und Ueli die Werkzeuge auf einen Karren, zurren das Spannset fest und wir laufen los.

Bereits auf dem kurzen Marsch grüssen uns die Leute freundlich, die einen oder anderen kennen den Wegmacher und sprechen ihn auf andere Baustellen an. «Dieses Jahr hatten wir unheimlich viele Helfer. Die Bahnen konnten nicht fahren und die Bergrestaurants waren zu, daher haben uns die Bergwirte ihre Angestellten zur Hilfe geschickt. Nun haben wir überall neue Baustellen eröffnet, die eigentlich nicht geplant gewesen wären, die wir nun fertig stellen mussten.»

Keine halben Sachen

Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es weiter bergwärts. Begleitet vom einen oder anderen «Chrüüzsatan» wird der Karren die Wanderwege hinaufmanövriert.

Am Ziel angekommen, richten wir uns so ein, dass Wanderer die Baustelle problemlos queren können und begutachten das heutige Problem: Der Wanderweg rutscht an dieser steilen Stelle immer wieder ab, sodass er schwierig zu begehen ist. «Wir schlagen zwei Eisenstangen in den Felsen, um ein Gitter und damit den Hang zu befestigen, oder Ueli?» Das Ziel des Wegmachers: «Lieber mache ich etwas einmal richtig, dafür habe ich dann eine Weile Ruhe.»

Von Wasserauen bis zum Säntis

Seit dem Frühling arbeiten Patric und Ueli auf die Sommerferien hin. «Im Frühling starten wir im Tal und arbeiten uns dann langsam nach oben – je nach Schneeverhältnissen zügiger oder langsamer. Wenn die Sommerferien beginnen, sollten alle Wege bereit sein.» Dieses Jahr gab es wenig, das dringend gemacht werden musste, da nur wenig Schnee fiel.

Die Baustelle oberhalb der Saxer Lücke ist also kurz vor den Sommerferien eines der letzten offenen Projekte. Während Patric und Ueli die zurechtgeflexten Eisenstangen am Fels anbringen, kreuzt uns ein junges Paar mit Kamera und Stativ. Sie trägt eine Jeans-Latzhose, ein bauchfreies Top und weisse Nike-Sneakers, er ein Shirt und Shorts mit Sneakers. Obwohl Patric Hautle seine Wanderwege für Berggänger und nicht für Instagram-Sternchen herrichtet, grüsst er die Turnschuh-Touristen.

«Die Wanderwege, die wir hier machen, sind Bergwege und da sollte eigentlich jeder wissen, was er an den Füssen tragen sollte. Wir haben es aufgegeben, den Leuten zu sagen, wie sie ausgerüstet sein sollten. Es kommen so viele, da würde man nicht mehr fertig werden, wenn man jedem etwas sagen würde.»

Das Speziellste, das ihm im Alpstein jemals auf einem Wanderweg begegnet ist? «Ein Mann auf einem Einrad! Er konnte es aber sehr gut, der fährt überall im Gebirge mit seinem Einrad umher.»

Grössere Mülleimer

Ob das dieses Jahr jemand toppen wird? Möglich wär's, ist doch coronabedingt zu erwarten, dass es mehr Wanderlustige in den Alpstein verschlägt. Spezielle Vorbereitungen für die grossen Massen trifft Patric Hautle aber nicht. «Wir schauen, dass wir noch die eine oder andere Feuerstelle einrichten können.»

Auch grössere Mülleimer sollen den Besuchern zur Verfügung stehen. Nicht jedem sei bewusst, dass er seinen Abfall mit nach Hause nehmen sollte, wenn ein Mülleimer voll ist. «Die Leute, die nie gelernt haben, ihren Abfall mitzunehmen, können wir nicht mehr erziehen, die werden das auch in 30 Jahren noch nicht gelernt haben. Aber mit der Bereitstellung von grösseren Abfallkübeln können wir dem Problem künftig ein wenig Abhilfe schaffen.»

«Ich arbeite dort, wo andere Ferien machen»

Die Massen an Touristen führen dazu, dass es Patric Hautle nie langweilig wird und es an Punkten, wie dem, wo wir gerade stehen, immer wieder etwas zu tun gibt. Nach dem Anbringen der Eisenstangen und des Gitters wird der neu entstandene Wegteil mit Geröll und Erde aufgefüllt und der Weg neu geführt. Auf den alten Weg setzt Patric Hautle Teile von abgetragener Wiese, die Rasenziegel werden später anwachsen.

Währenddessen befestigt Gehilfe Ueli das Gitter am Fels, damit es noch eine Weile hält. Der neue Weg wird zurecht geschaufelt und bereits von den ersten Berggängern dankend getestet und mit einem Lachen für gut erklärt. Diese Lacher der Gäste im Alpstein sind es, die Patric Hautle motivieren. «Das schönste an meinem Job sind die Begegnungen. Die Leute haben frei und gute Laune. Die meisten sind unheimlich dankbar, dass wir ihre Wanderwege pflegen.»

Das macht auch wett, dass Patric und Ueli im Sommer meist lange arbeiten. Schlafen und Essen können sie im gesamten Alpstein. Für eine grössere Baustelle bleiben sie ab und an auch einmal eine Woche in den Bergen und arbeiten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.

«Ich arbeite an einem Ort, wo andere Ferien machen und ihre Freizeit verbringen», sagt der Wegmacher. Er verrät, welcher sein Lieblingsweg ist: «Hier, wo wir heute arbeiten, ist es wahnsinnig schön – vom Hohen Kasten via Staubern zur Bollenwees. Der Weg wurde vor Jahren renaturiert, deshalb ist es mein Lieblingsweg.»

Job noch nicht satt

Dass dieser Job vielmehr eine Berufung als ein Beruf ist, sieht man in seinen Augen. «2001 habe ich während einer Saison auf der Bollenwees den alten Wegmacher begleitet. Das hat mir wahnsinnig gefallen und ich dachte mir, wenn der mal pensioniert wird, würde ich mich dann melden.» Gesagt, getan. «Und dann hatte ich das Glück, dass ich den Job bekommen habe.»

Der gelernte Dachdecker ist mittlerweile 35, den Job als Wegmacher hat er aber noch lange nicht satt. «Es ist komisch, es macht mir wahnsinnig viel Spass und momentan würde ich diesen Job, sofern das geht, bis zur Pension machen – das sind noch fast dreissig Jahre.»

Wir verladen das Werkzeug wieder auf dem Karren und machen uns auf mehr oder weniger direktem Weg zurück zur Bollenwees, wo es den hausgemachten «Papa-Tee» und einen Teller Rösti mit Gschnetzletem gibt. Und pünktlich wie ein Uhrwerk setzt das nächste Gewitter just dann ein, als Patric den Motor startet und wir den Weg ins Tal antreten.

TVO hat Wegmacher Patric Hautle ebenfalls portraitiert. Den Beitrag siehst du hier:

Quelle: tvo

veröffentlicht: 29. Juni 2020 05:47
aktualisiert: 29. Juni 2020 10:05
Quelle: FM1Today

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