«Wir Appenzeller waren frech»

· Online seit 10.05.2017, 16:25 Uhr
Appenzell hat eine neue Europameisterin - Tanja Knechtle aus Enggenhütten gewinnt zusammen mit Manuela Riedweg aus Dagmersellen die Europameisterschaften der Fleischerjugend. Die Schweiz kann diesen Titel zum dritten Mal in Folge verteidigen. Erstmals ist eine Appenzellerin unter den Gewinnerinnen.
Lara Abderhalden
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«Wir sind ausgeflippt. Wir hatten einen schwierigen Stand. Die Schweizer haben schon zweimal in Folge gewonnen, es ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, als bei der Rangverkündigung unsere Namen ausgerufen wurden. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Einfach Hammer», schwärmt die 21-jährige Tanja Knechtle aus Appenzell. Ihre Augen glänzen und sie strahlt, immerzu.

Nationenwertung gewonnen

Während vier Tagen war sie gemeinsam mit ihrem ganzen Team der Metzgerei Fässler in Appenzell in Imst im Tirol an den Internationalen Meisterschaften der Fleischerjugend. Während vier Tagen musste sie sich in insgesamt fünf Disziplinen beweisen. Dabei wurde sie von Experten bewertet. Zum einen gab es eine Einzelwertung, sowie eine Nationenwertung. Wobei die Nationenwertung stärker gewichtet ist: «Natürlich hätte ich auch gerne die Einzelwertung gewonnen, aber schlussendlich geht es darum, welches Land insgesamt am besten abgeschnitten hat», sagt Tanja Knechtle.

In der Einzelwertung gelang ihr immerhin der zweite Platz. Dass Tanja Knechtle und ihre Landesgenossin, die Luzernerin Manuela Riedweg, den Wettbewerb gewinnen würden, hätte niemand gedacht: «Wir haben bis zur letzten Minute nicht gewusst, wie gut die Schweiz abschneiden wird», sagt Philipp Fässler, Lehrmeister und Inhaber der Metzgerei Fässler in Appenzell.

Zweimal in der Woche trainiert

Für ihn war es eine strenge Zeit: «Wir arbeiten auf diesen Wettkampf schon seit zwei Jahren hin. Ich kann noch gar nicht fassen, was jetzt passiert ist, das ist einmalig.» Noch nie hat ein Lehrling von Philipp Fässler an den Meisterschaften teilgenommen und dabei wird es vermutlich auch bleiben: «Es hat einfach alles so gut gepasst. Wir zwei haben harmoniert.»

Das findet auch Tanja Knechtle: «Wir haben am Schluss zweimal in der Woche trainiert. Das war schon hart. Jetzt werde ich eine Zeit lang einfach einmal nichts tun.»

Kalbsherz mit Rösti-Käse-Herz

Besonders stolz ist Philipp Fässler auf die Schweizer Eigenproduktion: «Wir Appenzeller haben uns bei einer Disziplin auf ganz neues Gebiet gewagt. Wir waren frech und haben aus einem Kalbsherz ein Matterhorn geformt. Im Matterhorn drin hatte es ein Herz aus Käse und Rösti. Diese Kreation hat uns gar den Kategoriensieg eingebracht», erzählt der Lehrmeister stolz.

Der beste Fanclub

Nicht immer war Philipp Fässler so locker. Während des Wettkampfs sass er teilweise wie auf Nadeln: «Wir durften den Wettkampf durch eine Glasscheibe verfolgen. Bei der Überraschungskategorie habe ich versucht, Tanja Zeichen zu geben. Immer wenn sie auf dem falschen Weg war, habe ich mit einer Kuhglocke geschellt und ihr Handzeichen gegeben. Das hat uns beiden geholfen.»

Allgemein schätzt Tanja Knechtle das riesige Interesse: «Ich hatte einen eigenen Fanclub. Die Metzgerei war während zwei Tagen geschlossen, damit mich alle in Österreich unterstützen konnten. Es gibt keine bessere Unterstützung.»

Als Frau beweisen

Trotzdem gab es auch schwierige Momente: «Bei einer Disziplin mussten wir eine 65 Kilogramm schwere Rinderkeule ausbeinen, zerlegen, die Knochen heraus nehmen und schliesslich zu einem Braten oder Plätzli verarbeiten. Für eine Frau ist das eine grosse körperliche Anstrengung. Ich wiege ja selbst nicht einmal 65 Kilogramm.» Tanja Knechtle, ihre Teampartnerin Manuela Riedweg und eine Deutsche waren die einzigen drei Frauen unter den 12 Teilnehmern.

«Die Männer haben uns zum Teil schon schräg angeguckt. Wir haben es allen gezeigt», sagt Tanja Knechtle und schmunzelt.

Empfang vorbereitet

Das haben sie. Und dafür haben sie auch mächtig Ruhm und Ehre verdient: «Wir haben den Sieg gestern mit möglichst viel Fleisch und natürlich ein bisschen Appenzeller gefeiert. Ganz traditionell, mit Schweizerfahnen, Kuhglocken und einfach lustig», erzähl Philipp Fässler. Und weil das Festen so lustig war, wurde am Mittwoch spontan ein Empfang für die 21-Jährige vorbereitet.

Es kam die ganze Delegation aus Luzern rund um Manuela Riedweg und alle wichtigen Personen aus der Fleischbranche, selbst die letztjährige Gewinnerin aus Bern war am Empfang dabei. Ivo Bischofberger, Ständeratspräsident, ist extra aus Bern angereist: «Ich habe gestern Abend davon erfahren und bin gleich heute Morgen nach Appenzell gefahren. Ich habe sogar einen Termin für diesen Empfang verschoben.» Ihm sei es wichtig, bei solchen Anlässen dabei zu sein: «Das ist etwas für die Jugend. Tanja Knechtle ist ein Aushängeschild. Sie motiviert die Jungen, einen Beruf in diese Richtung einzuschlagen.»

Tanja Knechtle selbst kommt gar nicht mehr aus dem Händeschütteln und Blumensträusse entgegen nehmen heraus. Alle wollen ihr gratulieren, alle wollen mit ihr ein Foto. Sie ist ein kleiner Star - und zusammen mit Manuela Riedweg, die beste Fleischfachfrau Europas.

veröffentlicht: 10. Mai 2017 16:25
aktualisiert: 10. Mai 2017 16:25
Quelle: abl

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