Die halbe Schweiz ist krank. Trügt der Eindruck oder ist es tatsächlich so?
Nein, der Eindruck trügt nicht, wie Claudia Meier-Uffer, Präsidentin des Apothekerverbands St.Gallen/Appenzell, bestätigt: «Wir sind aktuell sehr gefordert, weil tatsächlich viele Menschen erkältet sind. Das ist für diese Jahreszeit aber auch nicht aussergewöhnlich, die Menschen halten sich nun wieder häufiger in geschlossenen Räumen auf und tauschen Viren aus, was Infektionen begünstigt.»
Geht es nach der Definition des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), kann man noch nicht von einer Grippewelle sprechen – die gemeldeten Arztkonsultationen liegen noch unter dem Schwellenwert, welcher diese Bezeichnung rechtfertigen würde. Allerdings gehen längst nicht alle Menschen mit Grippe- und Erkältungssymptomen zur Ärztin oder zum Arzt, weswegen das BAG in seiner Lagebeurteilung auch festhält, dass es sich bei den gemeldeten Fällen nur «um die Spitze des Eisbergs» handeln dürfte.
Welche Viren machen uns aktuell zu schaffen?
Husten, Schnupfen und Fieber sind derzeit die häufigsten Symptome, die den Menschen den Alltag erschweren. Verursacht werden können diese von ganz verschiedenen Virenstämmen wie Rhinoviren, Coronaviren oder auch Grippeviren.
Gemäss Claudia Meier-Uffer sind derzeit wohl vor allem Coronaviren für die zahlreichen Erkältungen verantwortlich: «Wir sprechen noch nicht von einer Grippewelle, denn das Grippevirus kommt für gewöhnlich erst später. Dieses ist zurzeit noch nicht so aktiv. Wir kämpfen aktuell mit grosser Wahrscheinlichkeit mit einer Coronawelle – diese ist aber natürlich nicht zu vergleichen mit jenen Wellen in der Pandemie.» Dabei gilt, dass die aktuellen Coronavarianten nicht mehr durch ausgeprägte eigene Symptome auffallen – stattdessen sind die typischen Erkältungssymptome am häufigsten.
Die Einschätzung bezüglich der Grippe teilt auch Philipp Lutz, Mediensprecher des Kantonsspitals St.Gallen (KSSG), unter Verweis auf das schweizweite Meldesystem Sentinella. Nebst den Infektionen mit Coronaviren steigen laut ihm auch jene mit Viren, die jedes Jahr in der Herbst- und Winterzeit kursieren. Diese werden aber weder diagnostiziert noch überwacht.
Welche Viren schlussendlich für die laufenden Nasen verantwortlich sind, ist für Claudia Meier-Uffer ohnehin sekundär: «In erster Linie ist es nicht so wichtig, woran die Leute erkrankt sind. Was die Menschen plagt, ist nicht das Virus, sondern die Symptome.»
Sind wir durch das Verhalten während der Pandemie anfälliger geworden?
Das lässt sich nicht direkt so sagen. Was aber laut Claudia Meier-Uffer definitiv einen Einfluss auf das aktuellen Krankheitsgeschehen hat, ist, dass wir uns jetzt wieder anders verhalten, als wir das während der Pandemie taten. Sprich: Unser Hygienebewusstsein ist wieder deutlich schwächer. Meier-Uffer führt aus: «In den letzten drei Jahren haben wir uns intensiv geschützt, beispielsweise mit Masken, und haben aktiv versucht, nicht krank zu werden. Man hat sich quasi vor jedem Virus versteckt. Und das macht man in diesem Winter nun nicht mehr – oder zumindest nicht mehr so intensiv.»
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Das bestätigt Philipp Lutz. Es gebe jedes Jahr einen Infektionsanstieg im Herbst und im Winter, welchen man in den vergangenen Jahren aktiv zu bekämpfen versucht habe. Lutz erklärt: «Sicher haben die in den letzten Jahren wegen Sars-CoV-2 eingeführten Massnahmen zu einer Reduktion dieser Infektionen geführt. Es ist aber nicht so, dass wir anfälliger geworden sind aufgrund unseres Immunsystems, wir sind aktuell einfach wieder mehr exponiert.»
Wie kann und soll man sich schützen?
Indem man sich ein wenig zurückbesinnt auf die Dinge, die während der Coronapandemie gebetsmühlenartig wiederholt wurden: «Es gelten die gleichen Dinge wie in den letzten drei Jahren und eigentlich auch vorher schon», so Meier-Uffer. Darum hier nochmals ein kurzer Reminder:
- Regelmässig die Hände waschen oder desinfizieren, insbesondere, wenn man Kontakt mit anderen Menschen hat
- Abstand zu anderen Menschen einhalten, besonders, wenn diese Symptome zeigen
- Mehrmals täglich lüften, insbesondere Räume, in denen sich mehrere Menschen aufhalten
- In Taschentuch oder Armbeuge husten/niesen
- Bei Symptomen und entsprechender Möglichkeit vorsichtshalber im Homeoffice arbeiten
Maskentragen: Bringt das derzeit etwas?
Während der Pandemie war sie steter Begleiter, nun ist sie wieder grossmehrheitlich aus unserem Wahrnehmungsbereich verschwunden: die Hygienemaske. Doch laut Claudia Meier-Uffer kann es auch jetzt noch durchaus sinnvoll sein, auf das Gesichtsaccessoire zu setzen.
Auch wenn man im Alltag, beispielsweise im Öffentlichen Verkehr, den Abstand zu anderen Personen nicht einhalten kann, könne eine Maske das Ansteckungsrisiko minimieren. Eine Maskenpflicht hingegen fände Meier-Uffer in der derzeitigen Situation überzogen: «Ich denke, es wäre übertrieben, wenn wir nun alle wieder anfangen, mit der Maske herumzulaufen.»