Das «Kornhaus» ächzt und knarrt

· Online seit 23.12.2016, 05:57 Uhr
Diese Tür wird wohl nicht mehr allzu lange geschlossen sein. Geht es nach dem Bauherrn, sollen statt morsche Böden und Balken so bald als möglich ein stylisches Restaurant und verschiedene Wohnungen das Kornhaus im Romanshorner Hafen schmücken. Zurzeit ist die alte Lagerhalle allerdings noch verlassen.
Fabienne Engbers
Anzeige

Wo im Moment ungezählte gusseiserne Balken und Trennwände aus altem Holz stehen, könnten in ein paar Jahren bereits Dutzende Wohnungen, zwei Museen und ein Restaurant sein. Peter Schnückel hat das «Kornhaus» im Hafen von Romanshorn gekauft und will es umbauen. Die Baupläne wurden ausgearbeitet, die Bewilligungen sind noch hängig. «Würde es nach uns gehen, würden wir morgen mit dem Bau beginnen», sagt Sprecher Sven Bradke. Was man aber zurzeit im Kornhaus antrifft, sieht ganz und gar nicht nach einem Projekt aus, das für einen Baustart bereit ist.

Kaputte Fenster und ein Loch im Boden

An der Türe ist ein neues Schloss, es wurde erst vor einigen Monaten angebracht. Das ist jedoch ziemlich das Einzige am Kornhaus, das neu ist. Tritt man in die riesige Lagerhalle, strömt einem der Geruch von altem Holz in die Nase, es riecht wie in einem Estrich. Der Boden und die Decke der einstigen Lagerhalle sowie einige tragende Balken sind aus Holz. Verstärkt wird die Konstruktion von gusseisernen Balken, die Aussenwände sind aus Stein. Es hängen zwar Lampen an den Decken und es gibt einige Schalter an den Wänden, das Licht funktioniert aber nicht. «Die meisten Fenster haben wir repariert oder ersetzt, auch den Boden und das Dach mussten wir zum Teil notdürftig flicken», sagt Sven Bradke. «Wie es vorher hier aussah, das will man gar nicht wissen.»

«Man bahnte sich einen Weg durch die abgestellten Dinge»

Bevor Peter Schnückel das «Kornhaus» sein Eigen nennen konnte, gehörte es diversen anderen Investoren. Die SBB haben das Schmuckstück am Hafen 2007 verkauft. «Als wir das Kornhaus zum ersten Mal betraten, mussten wir uns erstmal einen Weg durch die vielen hier abgestellten Sachen bahnen», sagt Sven Bradke. Die Bodensee Schifffahrt hatte damals noch diverse Gegenstände im Lagerhaus abgelegt. Schritt für Schritt wurde das Kornhaus dann komplett geleert, geputzt und von seinen tierischen Bewohnern befreit.

Alte Fotos und Schilder erinnern an die einstige Gebäudefunktion

Wo momentan gähnende Leere herrscht, standen im frühen 20. Jahrhundert hunderte Säcke voller Getreide und Tabak. Heute erinnern nur noch nummerierte Schilder an der Decke an die ursprüngliche Funktion der Lagerhalle.

Alte Fotos und Zeitungsberichte hängen an den Wänden, einer stammt aus dem Jahr 1934 und zeigt zwei Skifahrer. Sie erzählen von einer vergangenen Zeit, als der Gotthardtunnel noch ein Wunder war und die Lokomotiven, angetrieben mit Kohle, Waren vom und zum Handelsstützpunkt Romanshorn brachten. Ein altes Geleis endet direkt neben dem Eingang zum «Kornhaus», Grashalme ragen aus den Schienen.

Im Keller steht noch Gerümpel

Die letzte Treppe, die wir in Angriff nehmen, führt in den Keller. Es ist hier stockdunkel, da das Licht ja nicht funktioniert. Sobald sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sticht einem zuerst ein Stuhl ins Auge, der mitten im Raum steht. Durchquert man den Raum, in dem nach dem Umbau Parkplätze und Kellerabteile sein sollen, gelangt man in den alten Heizraum.

Dort hängt noch ein alter blauer Mantel, der wohl einst einem SBB-Mitarbeiter gehörte. Die Heizung scheint in die Jahre gekommen, funktionieren würde sie wohl nicht. Was hier unten alles kreucht und fleucht, das will man gar nicht wissen.

Der Hafen ist im Umbruch

Im Romanshorner Hafen war das «Kornhaus» bis vor Kurzem lange nicht die einzige Ruine. Auch das nebenan stehende Haus der Bodensee Schifffahrt war lange ein heruntergekommenes, altes Lager. Erst in den letzten Jahren hat sich der Standort direkt am Anlegeplatz der Fähre verändert. Die Bodensee Schifffahrt hat ihr denkmalgeschütztes Gebäude komplett modernisiert. Statt Spinnweben in den Dachbalken und kaputten Scheiben laden nun eine beleuchtete Empfangshalle und ein schmuckes Hafenrestaurant, beide mit vielen maritimen Details eingerichtet, zum Verweilen ein. Diesem Beispiel will auch das Kornhaus so schnell wie möglich folgen.

Denkmalschutz hat hohe Ansprüche

Wie das bei alten, ehrwürdigen und einzigartigen Gebäuden wie dem Kornhaus so ist, haben die Bauherren diverse Auflagen für ihr Projekt bekommen, da das Gebäude unter Denkmalschutz steht.

Die hohen abgerundeten Fenster und die Backsteinstruktur machen das Kornhaus zu einem Hingucker. Auch die Säulen im Inneren in Kombination mit den hohen hölzernen Decken und Balken verleihen der Lagerhalle einen alt-industriellen Charme. Diesen müssen und wollen die Bauherren auch nach dem Umbau aufrechterhalten. «Wir sind nun dabei, für unser Projekt die Baubewilligung bei der Gemeinde einzuholen. Ausserdem gab es beim Baugesuch zwei Einsprachen, welche momentan verhandelt werden», sagt Sven Bradke. Sobald alle juristischen und behördlichen Hindernisse überwunden sind, dauert es ab Baustart rund zwei Jahre, bis das Kornhaus seine Eröffnung feiern darf.

Das Kornhaus ist ein Liebhaberstück

Viele Investoren haben sich am «Kornhaus» die Finger verbrannt. Peter Schnückel will dem nun ein Ende setzen. «Auf das Kornhaus gestossen ist er dank seiner Freundin. Diese wohnt und arbeitet in Deutschland. Schnückel holte sie jeden Freitag hier am Anlegeplatz der Fähre ab. Dabei kam er beim Warten auf die Idee, das Gebäude zu kaufen und etwas Schmuckes daraus zu machen. Nach reiflicher Überlegung schritt er zur Tat», erzählt Sven Bradke.

Loftwohnungen und möblierte Appartements sind geplant

Die Planung des Umbaus im Kornhaus geht weiter voran. «In den obersten Stock kommen Loftwohnungen. Darunter wollen wir ein Boardinghouse mit kleinen, teils möblierten Wohnungen bauen», sagt Sven Bradke. Im Erdgeschoss entstehen zwei Museen und ein Restaurant. Das Lagerhaus soll in der Mitte des Dachs einen Einschnitt erhalten, in dem ein Garten entsteht. «Das Kornhaus ist so riesig, würden wir keinen Teil herausnehmen, hätten die Wohnungen viel zu wenig Licht», sagt Bradke. Viele Interessenten hätten sich bereits gemeldet, um eine Wohnung oder ein Loft zu reservieren. Bis sie einziehen könnten, dauert es aber noch eine ganze Weile.

FM1Today

veröffentlicht: 23. Dezember 2016 05:57
aktualisiert: 23. Dezember 2016 05:57

Anzeige
Anzeige