Steigende Fallzahlen

Deutlich mehr häusliche Gewalt während Coronakrise

10.11.2020, 10:32 Uhr
· Online seit 10.11.2020, 07:49 Uhr
Trotz Befürchtungen, dass die häusliche Gewalt während des Lockdowns zunehmen wird, zeigte sich im Frühling keine solche Tendenz. Doch jetzt wird klar, die Fälle häufen sich stark.
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Im Frühjahr hatten Experten davor gewarnt, der Lockdown könne zu massiven Konflikten in Beziehungen und Familien führen. Im Juni kam aber Entwarnung. Die Covid-Taskforce meldete, ein schweizweiter Anstieg häuslicher Gewalt sei ausgeblieben. Dabei wurde übersehen, dass bereits im Mai Opferhilfestellen in verschiedenen Kantonen eine Zunahme von Beratungen festgestellt hatten.

Allein im Kanton Zürich hat die Kantonspolizei in diesem Jahr 3160 Fälle registriert, das sind 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Gemäss Recherchen von CH Media gibt es keine schweizweiten Zahlen. Doch Anfragen in anderen Kantonen legen nahe, dass der Trend zwar nicht flächendeckend ist, aber neben Zürich auch einzelne weitere Regionen betrifft.

Mehr Interventionen im Kanton St.Gallen

Die Kantonspolizei St.Gallen musste beispielsweise von August bis Oktober fast 40 Prozent häufiger sogenannte «Interventionen im häuslichen Bereich» durchführen. Dabei geht es nicht immer um häusliche Gewalt – auch beispielsweise ein lautstarkes Gespräch, das Nachbarn der Polizei melden, fällt in diese Kategorie.

Die Kantonspolizei Aargau wiederum hat von Januar bis September zirka 11 Prozent mehr Fälle von häuslicher Gewalt verzeichnet. Die Kantonspolizei Bern kann noch keine Zahlen nennen, spricht aber von einer «klar steigenden Tendenz» im zweiten Halbjahr 2020.

Mehr Beratungen der Opferhilfe

In manchen Regionen berichten Beratungsstellen von einem Anstieg, so zum Beispiel in Bern und Luzern und auch bei der Opferhilfe beider Basel. «Wir verzeichnen dieses Jahr eindeutig mehr Beratungen», sagt Geschäftsführerin Brigitte Greuter. Sie rechnet mit einem Anstieg um über 10 Prozent.

Greuter geht wie andere Experten davon aus, dass die Zunahme auch mit der Coronakrise zusammenhängt. Die herrschende Unsicherheit, Angst vor Jobverlust, Homeoffice oder Quarantäne in kleinen Wohnungen: All das könnte die Zahlen nach oben getrieben haben. «Man weiss aus Studien, dass finanzielle Sorgen einen Einfluss auf häusliche Gewalt haben», sagt sie. «Deshalb gehe ich leider auch davon aus, dass sich die Situation nicht rasch bessert.»

(red.)

veröffentlicht: 10. November 2020 07:49
aktualisiert: 10. November 2020 10:32
Quelle: FM1Today

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