Ein Altstätter sieht blau

22.07.2019, 06:56 Uhr
· Online seit 22.07.2019, 05:43 Uhr
Der Altstätter Chemiker Peter Bützer erforscht seit 30 Jahren die Farbe Blau. Dies nicht nur in ihrer chemischen, sondern in allen möglichen Aspekten. Es ist ein Lebenswerk und ob es jemals fertig wird, das weiss er selbst noch nicht.
Marc Sieger
Anzeige

Peter Bützer trägt ein blaues Hemd und steht neben seinem Briefkasten als er mich empfängt. Die Rückseite des Briefkastens ist ebenfalls Blau angemalt. «Wo ich wohne, erkennt man sofort», sagt der pensionierte Chemiker und lacht verschmitzt. Der blaue Briefkasten bleibt von aussen das einzige Merkmal, das auf das Lebenswerk des ehemaligen Chemikers schliessen lässt. Ansonsten sieht sein Einfamilienhaus in dem ruhigen Altstätter Quartier aus wie jedes andere.

«Blau rinnt einem durch die Finger»

Seit 30 Jahren widmet sich Bützer hier jedoch der Erforschung der Farbe Blau. Beginnt er von der Farbe zu erzählen, schleicht sich ein verträumter Ausdruck auf sein Gesicht und er gerät ins Schwärmen. «Es gibt keine andere Farbe, die so kostbar und flüchtig und so schön ist.» Er macht eine Geste zum Himmel und philosophiert: «Da oben ist alles blau, und auch das Wasser ist blau, versucht man die Farbe aber einzufangen, rinnt sie einem durch die Finger.»

Tausend blaue Farbmoleküle und tausend Fragen

Gleiches gelte für die Chemie. Dort hat Peter Bützers Faszination für die Farbe Blau seinen Anfang genommen. Als Chemiker habe er sich mit der Produktion der Farbe beschäftigt. «Das ist jedoch sehr schwierig, Blau tendiert dazu, ins Türkise oder ins Violette abzurutschen.» Er habe nach einer Antwort für dieses Phänomen gesucht. Was er bei seinen ersten Forschungen gefunden hat, sind mehr als tausend verschiedene blaue Farbmoleküle und mehr Fragen als zuvor.

Ein Farbstoff, teurer als Gold

«Da hat es mich gepackt. Ich wollte die Farbe Blau verstehen und alles was mit ihr zusammenhängt.» Dies bezieht sich nicht nur auf die chemischen Eigenschaften. Bützer beschäftigt sich unter vielem anderem mit Kunsthistorik, Mineralogie, Literatur und sogar der Musik. «Es gibt ja auch eine Musikrichtung Namens Blues, verstehen sie?», sagt Bützer und gestikuliert energisch. Er hat sich heiss geredet und spricht mit leiser aber schneller Stimme.

Bützer holt einen blauen Stein aus einer Holzkiste hervor und legt ihn auf den Tisch. «Das ist Lapislazuli. Daraus gewinnt man Ultramarin. Das ist das kostbarste Blau, das es gibt, es ist teurer als Gold.» Er spricht nun über mittelalterliche Malereien und wie man anhand der blauen Farbe in einem Gemälde auf den Maler und die porträtierte Person schliessen kann.

Blaues Pulver als Ersatz für Ski-Wachs

Durchstöbert er nicht Bücher und Lexika, widmet er sich in seinem kleinen Labor im Keller seines Hauses der chemischen Erforschung der Farbe. Dabei und beim Studium der Methode, mit der die Mitglieder afrikanischer Tuareg-Stämme ihre Turbane einfärben, ist er kürzlich auf neue Anwendungsmöglichkeiten eines bestimmten Farbstoffes gestossen. Der Farbstoff «Indigo», der beispielsweise zur Färbung von Blue-Jeans verwendet wird, habe als Pulver, auf glatten Oberflächen aufgetragen, hervorragende Gleiteigenschaften, erklärt Bützer. Er hat daraus ein Mittel entwickelt, das als Ersatz für umweltbelastende Ski-Wachse zum Einsatz kommen soll. Bützer hat sein Produkt ausgiebig getestet. «Ich habe viele Stunden auf den Langlaufskiern verbracht und das Pulver auch anderen gegeben. Es funktioniert hervorragend.» Der Chemiker ist sichtlich stolz.

«Werde vermutlich nie am Ende meiner Forschungen sein»

Das Wissen über die Farbe Blau, das er während 30 Jahren zusammengetragen hat, hat der Altstätter in einer Abhandlung zusammengetragen. Über 1000 Seiten umfasst das Werk bisher und es dürften noch viele weitere werden. «Es gibt noch so viel zu entdecken», sagt Bützer. Dabei wirkt er beinahe spitzbübisch aufgeregt. Die Veröffentlichung seiner Abhandlung habe er nicht im Sinne. «Ich will, dass es ein Hobby bleibt. Müsste ich ein Buch schreiben, würde mich das unter Druck setzen.» Er glaubt auch nicht, dass er jemals am Ende seiner Forschungen angelangen wird. «Dafür ist Blau viel zu vielseitig. Das ist ja auch das Faszinierende dran.» Und sein Lieblingsblau? «Lapislazuli, also Ultramarin – das Blau der Könige. Es gibt nichts Schöneres.»

veröffentlicht: 22. Juli 2019 05:43
aktualisiert: 22. Juli 2019 06:56
Quelle: mas

Anzeige
Anzeige