Nationale Kampagne

«Ein Tabuthema»: Schweizweit jährlich über 300'000 Senioren von Gewalt betroffen

· Online seit 28.03.2023, 06:24 Uhr
In der Schweiz sind jährlich mehr als 300'000 über 60-Jährige von irgendeiner Form von Gewalt betroffen. Doch nur wenige der betroffenen Seniorinnen und Senioren holen sich Hilfe.
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«Gewalt im Alter ist nach wie vor ein Tabuthema in der Schweiz», sagt Ruth Mettler Ernst, Geschäftsführerin des Nationalen Kompetenzzentrums «Alter ohne Gewalt». Doch nicht nur unter Seniorinnen und Senioren sei es ein Tabuthema: «Die Öffentlichkeit hat zu wenig Kenntnis davon. Drohung, Demütigung – die psychische Misshandlung wird sehr oft nicht als solche erkannt.»

Die Dunkelziffer der Opfer sei gross, denn aus Scham oder Angst vor den Konsequenzen würden über 60-Jährige nur selten Hilfe suchen. Dafür gebe es verschiedene Gründe. Die einen würden sich für ihre Situation schämen, andere fürchten Konsequenzen – beispielsweise in ein Altersheim abgeschoben zu werden. 

«Wir wollen mit dieser Kampagne von Misshandlung Betroffene ermutigen, über das Thema zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen», so Mettler Ernst. Unter Gewalt versteht das Nationale Kompetenzzentrum «Alter ohne Gewalt» alle Gewaltformen – körperliche, psychologische, finanzielle und medikamentöse Gewalt, Grundrechtsverletzungen und aktive und passive Vernachlässigung.

Pflegende und Ehe-Partner als Gewaltausübende

Laut «Alter ohne Gewalt» waren die gewaltbetroffenen Seniorinnen und Senioren im Jahr 2022 im Durchschnitt 82-Jährig – 76 Prozent Frauen und 24 Prozent Männer. Dabei waren 62 Prozent im häuslichen Bereich wohnend, 38 Prozent im institutionellen Bereich wohnend.

Mutmasslich Gewaltausübende waren dabei pflegende Personen, Ehe-Partnerinnen und -Partner, Familienmitglieder verschiedener Generationen und ausserfamiliäre Drittpersonen – wobei die Mehrheit weiblich sei.

Mut fassen und wahrgenommen werden

Doch was mache ich, wenn mir eine ältere Person in meinem Umfeld von Gewalterfahrungen erzählt? «Zuerst sollte honoriert werden, dass Betroffene den Mut haben, das Thema überhaupt anzusprechen – erst dann könnten Schritte für eine Verbesserung in Angriff genommen werden», so Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation der Pro Senectute Schweiz.

Bevor man sich direkt an eine Fachstelle wende, solle man versuchen, das Gespräch zu Suchen. Ist dies nicht möglich, sei dieser Schritt dringend zu raten, man könne sich auch an die Pro Senectute, die Gemeinde, die Opferhilfestelle oder an die Polizei wenden.  

Dies empfiehlt auch Florian Schneider, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen, und fügt an: «Ziel der Hilfe ist es zuerst einmal, die betroffene Person vor der Gewalt zu schützen. Aufgabe der Polizei ist es dann, die strafrechtliche Verfolgung der Täterschaft in die Wege zu leiten und präventiv dafür zu sorgen, dass die Gewaltspirale beendet wird.» 

Burri Follath sagt: «Es ist wichtig, betroffene Menschen zu ermutigen, mit externen Personen darüber zu sprechen.»

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veröffentlicht: 28. März 2023 06:24
aktualisiert: 28. März 2023 06:24
Quelle: FM1Today

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