Zollfreigrenze

Eindämmung des Einkaufstourismus: «Der Staat muss das kontrollieren können»

· Online seit 29.09.2021, 19:58 Uhr
Das Bundesparlament hat die Aufhebung der Zollfreigrenze beschlossen, um den Einkaufstourismus zu bremsen. Das werde wenig bewirken, sagt der St.Galler FDP-Fraktionschef Christian Lippuner in der Sendung «Zur Sache». Der Thurgauer FDP-Regierungsrat Walter Schönholzer widerspricht.

Quelle: tvo

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Der Thurgauer Regierungsrat Walter Schönholzer fährt selber ganz gern ab und zu nach Konstanz. Aber nicht als Einkaufstourist, wie er im TVO-Talk «Zur Sache» am Mittwochabend betont. Sondern als Ausflügler, der gern eine Weisswurst im Biergarten geniesst. Auch sein Parteikollege Christian Lippuner, FDP-Fraktionschef im St.Galler Kantonsrat, kauft mit seiner Familie lieber in der Schweiz ein – obwohl er an seinem Wohnort Grabs nur einen Katzensprung von den günstigen EU-Produkten in Vorarlberg entfernt ist. In der Diskussion mit Moderator und «Tagblatt»-Chefredaktor Stefan Schmid sind sich die beiden Freisinnigen in einem Punkt einig: Der Einkaufstourismus ist für den Schweizer Handel ein echtes Problem.

Aber nützt es etwas, die 300-Franken-Freigrenze aufzuheben oder zumindest zu senken, wie es das Bundesparlament nun beschlossen hat – auf starken Druck der Ostschweizer Kantone notabene? «Ja», sagt Schönholzer: «Es ist überhaupt nicht angebracht, dass der Staat das Einkaufen im Ausland noch steuerlich fördert.»

Für rund einen Drittel der Einkaufstouristen spiele die Mehrwertsteuer-Freigrenze eine Rolle. Eine bremsende Wirkung sei also schon zu erwarten.

«Schliesslich überqueren täglich Tausende die Grenze»

«Das glaube ich überhaupt nicht», entgegnet Lippuner. Es handle sich um einen Unterschied von maximal 23 Franken und 10 Rappen. Das werde angesichts der hohen Preisunterschiede niemanden vom Einkauf im Ausland abhalten. Die Senkung der Freigrenze bringe nur Bürokratie. Lippuner teilt die Sorge des zuständigen Bundesrats Ueli Maurer (SVP), dass am Zoll ein Verkehrschaos entsteht, wenn plötzlich viel mehr Einkaufstouristen ihre Waren verzollen müssen: «Schliesslich überqueren täglich Tausende die Grenze.»

Schmid gibt die Frage an Schönholzer weiter: «Wie soll man das kontrollieren?» – «Das ist Aufgabe des Staats», entgegnet der Thurgauer Volkswirtschaftschef. Schon heute werde rund die Hälfte der Einkäufe, die eigentlich verzollt werden müssten, nicht deklariert. «Aber man kann doch nicht sagen: Es ist ja schon heute nicht in Ordnung, also machen wir jetzt erst recht nichts.»

Der Staat habe die Pflicht, genau hinzuschauen. Digitale Möglichkeiten zur Verzollung seien vorhanden. «Wenn man will, dann kann man das umsetzen.»

Lippuner sagt, er sei aus liberaler Überzeugung gegen staatlichen Protektionismus. Gleichzeitig sei die Gesellschaft manchmal nicht ganz ehrlich: «Einerseits verlangt man hohe Standards für Produkte in der Schweiz, bei Lebensmitteln etwa werden hohe Anforderungen an Tierschutz und Ökologie gestellt. Aber dann findet man den Preis zu hoch und fährt zum Einkaufen über die Grenze.» Nur: Eine Anpassung bei der Mehrwertsteuer werde daran wenig ändern.

«Manche Preisunterschiede sind stossend»

Die hohen Preise in der Schweiz hätten diverse Ursachen, sagt Lippuner. Die höheren Löhne seien nur ein Bestandteil. Viele Detailhändler würden selber schon zu weit höheren Preisen einkaufen als die ausländische Konkurrenz. «Das lässt sich aber nicht so einfach beheben.»

Schönholzer stimmt zu: «Es ist absolut stossend, dass die genau gleichen Produkte – im Drogeriebereich etwa – hierzulande massiv teurer sind als im Ausland.» Auch hier sei die Politik gefordert – wobei sie bis jetzt leider noch nicht allzu viel erreicht habe.

Deutschland und Österreich haben auf den Schweizer Entscheid, die 300-Franken-Freigrenze aufzuheben, nicht begeistert reagiert. Schönholzer macht sich um die politischen Beziehungen im Bodenseeraum aber keine Sorgen. «Dass man zusammenarbeitet, heisst nicht, dass man sich einfach immer angleicht. Wir müssen uns auch getrauen, Probleme anzusprechen.»

veröffentlicht: 29. September 2021 19:58
aktualisiert: 29. September 2021 19:58
Quelle: TVO/St.Galler Tagblatt/Adrian Vögele

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