Graubünden

200 Franken für Übernachtung im Freien: «Gäste wünschen sich Sicherheit»

21.07.2020, 17:00 Uhr
· Online seit 21.07.2020, 16:58 Uhr
Alternative Tourismusformen erfreuen sich im Corona-Sommer neuer Beliebtheit. Für eine Übernachtung im Freien sind Gäste auch bereit, tief ins Portemonnaie zu greifen.
Anzeige

Eine Nacht unter freiem Sternenhimmel verspricht Abenteuer, grossartige Aussichten, vielleicht ab und zu eine Sternschnuppe – und wenig Komfort. Kälte, Käfer und Wetterkapriolen können die wohlverdiente Nachtruhe stören. Trotzdem sind immer mehr Touristen bereit, für alternative Beherbergungsformen stolze Preise zu bezahlen.

Schlafen auf dem Weisshorn

Eines dieser Angebote ist das Millionen-Sternen-Hotel auf der Lenzerheide. Bis zu 15 Personen übernachten auf dem Weisshorn in Schlafsäcken. Das Gepäck wird ihnen von den Organisatoren auf den Berg transportiert, ein Wanderleiter führt die Gäste zum Schlafplatz. Inklusive sind ein Begrüssungsapéro, Abendessen sowie das Frühstück am nächsten Tag.

Trotz 195 Franken pro Person: Das Angebot wird gut gebucht, wie Stefan Reichmuth, Marketingverantwortlicher der Bergbahnen im Partnerort Arosa, gegenüber FM1Today sagt: «Vor allem während der Ferienzeit ist die Nachfrage sehr gross. Um aber überhaupt einen kleinen Gewinn zu machen, müssen mindestens zwölf Gäste eine Übernachtung buchen.» Ein Bergbahnbillett für zwei Tage ist im Preis inbegriffen. Ausserdem liegt der Schlafplatz auf einem alten Gelände der Swisscom, welches jedesmal gebucht werden muss.

«Unsere Gäste sind bunt gemischt»

Zu den Gästen zählen vor allem Personen, welche eine gewisse Affinität zur Natur haben, aber skeptisch sind und Respekt davor haben, im Freien zu übernachten, so Reichmuth: «Unsere Gäste sind bunt gemischt: Familien mit Teenagern, Pärchen und auch Senioren. So kommen am Abend am Lagerfeuer immer spannende Konstellationen zusammen.» In der Nacht bietet sich den Gästen ein weitläufiges Alpenpanorama mit Sicht bis nach Chur und – wie es der Name des Angebots schon verrät – ein Himmel mit Millionen von Sternen.

«Gäste sind es nicht gewohnt, im Freien zu übernachten»

Die Bereitschaft, für eine Übernachtung im Freien gleich viel auszugeben wie für eine Nacht im Hotel, hänge mit zwei Faktoren zusammen, sagt Andreas Deuber, Leiter des Instituts für Tourismus und Freizeit an der Fachhochschule Graubünden: «Einerseits wünschen sich die Gäste Sicherheit. Sie sind es sich nicht mehr gewohnt, im Freien zu übernachten und die Organisatoren stellen einen gesicherten Rahmen zur Verfügung. Andererseits müssen die Gäste somit auch nichts selber organisieren. So ist die Verpflegung beispielsweise gestellt.»

«Wegen Corona wollen Gäste grosse Ansammlungen meiden»

Besonders im Corona-Sommer sei ein Trend hin zu Freiluftübernachtungen erkennbar, sagt Deuber: «Im Moment sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Durch diese alternativen Angebote soll vor allem Aufmerksamkeit für die Regionen generiert werden. Aufgrund der Coronakrise wollen viele Gäste grosse Ansammlungen vermeiden, wie sie in einem Hotel entstehen könnten. Sie wollen auf der vorsichtigen Seite sein und suchen Alternativen.»

Ob sich aber eine nachhaltige und grossvolumige Verlagerung von der klassischen Hotel- oder Ferienwohnungsbeherbergung zum Outdoor-Tourismus durchsetzen wird, wagt Andreas Deuber allerdings zu bezweifeln: «Ich glaube nicht, dass es diesbezüglich eine grosse Veränderung geben wird. Eine allgemeine gesellschaftliche Entwicklung ist noch nicht erkennbar.»

veröffentlicht: 21. Juli 2020 16:58
aktualisiert: 21. Juli 2020 17:00
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige