Hühner geniessen ihr zweites Leben

· Online seit 13.06.2017, 08:59 Uhr
Am vergangenen Samstag konnten bei einer Ausstallung 400 Legehennen vor dem Tod bewahrt werden. Die drei glücklichsten Hühner leben heute wohl in Hundwil. Denn ihr Stall ist nigelnagelneu und für ihre tierischen Nachbarn sind sie eine wahre Attraktion.
Stephanie Martina
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Es ist ein kurioses Bild: Auf der einen Seite des Drahtzauns sitzt eine Katze, auf der anderen spaziert ein gackerndes Huhn vorbei. Solche Szenen spielen sich im Pfotenhotel, einer Pension für Katzen, im ausserrhodischen Hundwil seit vergangenem Samstag immer wieder ab. Denn seither leben drei Legehennen und ein Zwerghahn in einem grosszügigen Gehege hinter dem Haus, direkt neben jenem für die Ferienkatzen.

Letzte Rettung für Legehennen

Am Samstag hätte beinahe das letzte Stündlein der drei Hennen geschlagen. Denn in ihrem Stall im Kanton Schaffhausen fand eine Ausstallung statt, bei der 5000 alte, legeschwache Hühner aussortiert und zum Schlachthof gebracht wurden. Die Tierhilfe Schweiz mit Sitz im thurgauischen Mattwil versucht jeweils vor Ausstallungen in der Ostschweiz, einige Hühner an Privatpersonen zu vermitteln und sie dadurch vor dem Tod zu bewahren. Auch Ruth Germann gehört zu jenen, die helfen wollten. Die Hundwilerin hat deshalb vergangene Woche extra einen Hühnerstall gekauft und aufgebaut. Dafür musste das Katzengehege etwas verkleinert werden. «Die Katzen sind von ihren neuen Nachbarn sehr fasziniert, für sie ist es fast wie Kino. Die Hühner lassen sich von den Katzen jedoch wenig beeindrucken», sagt Germann. Natürlich lasse sie seit Samstag nur noch Katzen ins Aussengehe, die nicht jagen, um die Hühner nicht zu erschrecken.

Langjähriger Traum geht in Erfüllung

Von eigenen Hühnern träumte Germann schon lange. Diesen Sommer wollte sie sich endlich welche zulegen. Für die Tierfreundin war klar, dass es Hühner sein sollten, deren Leben bisher alles andere als lebenswert war. Als sie von der Tierhilfe Schweiz von der bevorstehenden Ausstallung erfuhr, ging plötzlich alles ganz schnell. «In den vergangenen Tagen hatten mein Mann und ich alle Hände voll zu tun. Der Stall musste zusammengebaut, das Gehege abgesteckt und Rasen angesäht werden. Am Ende war aber alles pünktlich zur Ankunft der Hühner fertig», sagt Germann.

Die Hühner, denen die Strapazen ihres bisherigen Lebens anzusehen sind, scheinen sich sichtlich wohl zu fühlen in ihrem neuen Zuhause. Sie wandern umher, picken, scharren und wälzen sich in den frisch gebuddelten Gruben. «Man merkt, dass die Hennen ihre neue Freiheit geniessen und Vieles nachzuholen haben, was sie in den ersten 18 Monaten ihres Lebens nicht kannten», sagt die diplomierte tierpsychologische Beraterin. Für den Zwerghahn ist die Situation nicht ganz so neu wie für seine Hennen. Denn er wurde bereits vor Längerem wieder aufgepäppelt, nachdem man seinem früheren Besitzer die Tiere weggenommen hatte.

Während der Hahn und die drei Hühner ihr neues Gehege erkunden, verfolgt Germann jede ihrer Bewegungen. Bereits um sechs Uhr morgens sitzt sie mit einer Tasse Kaffee vor dem Hühnergehege und geniesst es, den Tieren zuzusehen. «Es ist erstaunlich, wie aktiv sie sind. Sie sind eigentlich immer in Bewegung und weil sie Legehennen sind, legen sie ihre Eier einfach dort, wo sie gerade sind», sagt sie.

Auf Entdeckungstour im Hühnergehege

Dass die Hühner nicht immer so ein Leben geführt haben, ist offensichtlich. Vieles ist ihnen noch unbekannt, vieles muss erst entdeckt werden. Noch etwas suspekt scheint ihnen die Hühnerleiter zu sein. Die kleine Rampe in ihrem Stall wagen sie sich bisher noch nicht alleine hinauf. «Dafür haben sie in den vergangenen zwei Tagen das Liegen und Wälzen im Sand entdeckt. Ich glaube, das konnten sie in ihrem bisherigen Stall aus Platzgründen nicht», sagt Germann.

Der Hundwilerin ist anzumerken, dass sie ihre Hühner und den Hahn bereits nach zwei Tagen fest ins Herz geschlossen hat. Einen Namen haben die Tiere aber bisher noch nicht. Denn im Moment sehen die Hühner noch ziemlich kahl und mitgenommen aus und lassen sich kaum unterscheiden. «Ich möchte die Tiere gerne etwas besser kennenlernen und warten bis sich ihr Federkleid erneuert hat, damit ich jedem einen passenden Namen geben kann», sagt Germann.

Bis dahin versucht sie herauszufinden, was ihre jüngsten Mitbewohner ausser dem gewohnten Legemehl am liebsten fressen. «Rüebli mögen sie nicht. Aber wahrscheinlich müssen sie sich erst daran gewöhnen. Vielleicht kommen sie plötzlich auf den Geschmack.»

Die Tierhilfe Schweiz versucht im Vorfeld von Ostschweizer Ausstallungen jeweils, so viele Legehennen wie möglich bei Privatpersonen zu platzieren, um ihnen einen schönen Lebensabend zu bieten. Nachdem FM1Today berichtete erhielt die kleine Organisation mehr Anfragen von Interessenten als sie bewältigen konnte. Von den 5000 Hühner, die geschlachtet werden sollten, gelang es der Tierhilfe Schweiz, 400 zu retten und zu ihren neuen Besitzern zu bringen. Bereits im Juli findet die nächste Ausstallung auf einem Eierbetrieb in Märstetten statt. Wer Hühnern ein zweites Leben schenken möchte, kann sich bei Beatrice Baumann melden (info@tierhilfe-schweiz.ch).
veröffentlicht: 13. Juni 2017 08:59
aktualisiert: 13. Juni 2017 08:59
Quelle: stm

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