Spitalsituation

Kantonsärztin: «Es geht mir auf den Wecker» – so kann Fachpersonal entlastet werden

06.11.2020, 09:46 Uhr
· Online seit 06.11.2020, 06:00 Uhr
Die Coronalage in den Ostschweizer und Bündner Spitälern ist angespannt – teilweise sogar sehr angespannt. Dabei sind primär nicht die Betten oder Beatmungsgeräte das Problem, sondern das fehlende Fachpersonal. Die breite Bevölkerung wird jetzt in die Pflicht genommen.
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«200 Beatmungsgeräte nützen nichts, wenn das Personal fehlt», sagt Philipp Lutz vom Kantonsspital in St.Gallen. Die wichtigste Ressource, das Fachpersonal, wird bei den vielen verschiedenen Coronazahlen, die täglich publiziert und aktualisiert werden, oftmals vergessen.

Hospitalisierungen steigen – Personal stagniert

Und genau dieses Fachpersonal ist in dieser heiklen Situation der Knackpunkt: «Weit vor den Betten oder Geräten stossen wir mit den diplomierten und spezialisierten Pflegepersonen an unsere Grenzen», sagt Reto Keller, Vorsitzender der Konferenz Spitäler und Kliniken des Bündner Spital- und Heimverbands. Auf genügend Hilfspersonal können die Spitäler zwar zurzeit zurückgreifen, aber eine Pflegeausbildung auf dem Intensivbereich würde mehrere Jahre dauern. Während die Covid-19-Hospitalisierungen rasant steigen, bleibt der Fachpersonalbestand praktisch der gleiche.

«Die Betreuung von Corona-Erkrankten ist sehr aufwendig. Ein Covid-19-Patient braucht oftmals praktisch eine Eins-zu-Eins-Betreuung», ergänzt Marina Jamnicki. Sie ist die Kantonsärztin im Kanton Graubünden. Laut ihr kann man nicht einfach einen Zivilschützer in die Pflege schicken und das gleiche Know-how wie das des Intensivpersonals verlangen.

Kantonsärztin spricht Klartext

Weiter mahnt die Bündner Kantonsärztin die Bevölkerung: «Es geht mir wirklich langsam auf den Wecker, dass gewisse Leute immer noch Schlupflöcher suchen, um gewisse Massnahmen, speziell die Maskenpflicht, zu umgehen.» Konkret meint sie, dass sich jetzt jede und jeder an die Maskenpflicht, an den Abstand und an die Hygienemassnahmen halten muss.

Dieser Meinung ist auch Reto Keller: «Die Bevölkerung kann so das Gesundheitswesen wirklich unterstützen und entlasten.» Es gehe darum, die Wahrscheinlichkeit der Ansteckungen zu reduzieren und so auch die Hospitalisierungen. «Heute können wir die Covid-Situation noch stemmen. Doch geht es so weiter, haben wir bald ein Problem.»

Notspital ergibt kaum Sinn

Bei steigenden Hospitalisierungen nützt auch ein Notfallspital, wie es zum Beispiel gerade in Vorarlberg gebaut wird, nichts. «Sicher ist, dass es keinen Sinn ergibt, Intensiv- und Beatmungsplätze ‹irgendwo› ausserhalb der bestehenden IPS-Strukturen aufzubauen. Es ist entscheidend, dort zu erweitern, wo man sich und die Abläufe kennt», sagt Philipp Lutz. Denn auch in einem Notspital müsste Fachpersonal vorhanden sein.

Gewisse Spitäler wie jene der Spitalregion Rheintal, Werdenberg und Sarganserland (SRRWS) und auch das Kantonsspital St.Gallen schieben gewisse Eingriffe und Operationen auf: «Zurzeit verschieben wir nicht-dringliche Eingriffe, in Absprache mit den Patienten, auf einen späteren Zeitpunkt», sagt Arlette Zanga vor der SRRWS. Unter anderem mit dieser Massnahme will man in den Ostschweizer Spitälern einen drohenden Fachpersonalmangel abfedern.

veröffentlicht: 6. November 2020 06:00
aktualisiert: 6. November 2020 09:46
Quelle: FM1Today

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