Königin der Würste darf auf Thron bleiben

· Online seit 04.11.2016, 15:38 Uhr
Die schlechten Ergebnisse nach der Kontrolle von St.Galler Bratwürsten hinterlassen im wahrsten Sinn einen bitteren Beigeschmack. Ist nun das Ansehen des Ostschweizer Kulturguts beschädigt? «Es muss vielmehr genauer hingesehen werden», sagt Urs Bolliger, Geschäftsführer der Organisation «St.Galler Bratwurst». «Denn der Grossteil der Beanstandungen ist auf Fehler in der Deklaration zurückzuführen.»
Claudia Amann
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Als «legendäre, unerreichte Delikatesse» wird die St.Galler Bratwurst von ihrer eigenen Organisation benannt. Für viele Ost- - und auch manch andere Schweizer - gilt sie als Königin der Würste. Sie gehört zur St.Galler Tradition und darf schon alleine deswegen keinen Imageschaden erleiden.

Bei einer Stichprobenkontrolle des Amts für Verbraucherschutz und Veterinärwesen (AVSG) im Frühling dieses Jahres wurden 95 Prozent der getesteten Würste beanstandet. Darunter waren 15 St.Galler Bratwürste und fünf St.Galler Kalbsbratwürste. Hauptsächlich soll es an der korrekten Kennzeichnung der Produkte gehapert haben.

Die Milch macht's

Die gute Nachricht ist also: Es geht nicht um innere Qualität. Die St.Galler Bratwürste schmecken nicht schlecht. «Es geht einfach darum, dass die Vorschriften der Deklaration auf dem Produkt nicht eingehalten wurden», sagt Urs Bolliger. Er ist als Geschäftsführer der Organisation «St.Galler Bratwurst» tätig. Und für ihn ist ein Aspekt wesentlich: «Das Schweizer Lebensmittelgesetz wurde dahingehend geändert, dass allergene Zutaten explizit und klar erkennbar angegeben werden müssen. Da gibt es viele kleine, neckische Details, die offenbar noch vielen zu wenig bewusst waren. Dafür möchten wir als Organisation nun sensibilisieren und darauf hinweisen.»

Unter die allergenen Zutaten fällt auch Milch. Gemäss dem Lebensmittelgesetz muss Milch deklariert werden. Und in jeder St.Galler Bratwurst ist Milch enthalten. Das sei etwas, das offenbar einige Produzenten vergessen hätten zu deklarieren. «Der Grossteil der Beanstandungen ist darauf zurück zu führen», erklärt Bolliger.

Toleranzgrenze überschritten

Bei der mikrobiologischen Analyse der Stichproben waren allerdings vier Würste darunter, die das Amt beanstandet hat. Bei einer Wurst sei der Toleranzwert der krankmachenden Keime um das zehnfache überschritten worden und bei einer Wurst war der Toleranzwert von Darmbakterien um das fünfzigfache überschritten. Bei zwei weiteren Würsten sei der Toleranzwert beider Bakterienarten übertroffen worden. Die hohen Keimwerte wurden hauptsächlich durch Produktionsfehler verursacht.

«Die Überwachung der Produktion liegt beim Amt für Verbraucherschutz», betont Urs Bolliger. «In einigen Grossbetrieben, die sich auf den Detailhandel fokussieren, ist bereits die sogenannte Reinraumtechnologie eingeführt worden. Damit können Keime minimiert und das Verbrauchsdatum hinauf geschraubt werden. Ein Gewerbebetrieb kann sich eine solche Technologie allerdings kaum leisten.»

Verbesserungen möglich

Kantonschemiker Pius Kölbener hingegen weist darauf hin, dass Produktionsfehler durchaus reduziert werden könnten. Nicht umsonst wäre der erlaubte Keimwert bei der Mehrheit der getesteten Würste eingehalten worden. Doch alle Stichproben seien Momentaufnahmen, betont er. Zudem sollten die betroffenen Metzger ihre Würste inzwischen nachgebessert haben und die analysierten Keimwerte seien insgesamt niedriger gewesen als bei vorigen Untersuchungen.

Ein weiterer kritisierter Punkt bei der Kontrolle war die Feststellung von Poulet- oder Trutenfleischanteilen. «Von einem Strecken kann aber nicht die Rede sein», sagt Urs Bolliger. «Ein Betrieb produziert ja verschiedene Produkte mit den Maschinen. Wenn es von der Vorproduktion gewisse Restbestandteile gibt, können sogenannte Verunreinigungen auftreten.»

Regelmässige Kontrollen

Die sensorische oder inhaltliche Qualität ist laut dem Geschäftsführer von «St.Galler Bratwurst» jedenfalls nie beanstandet worden.  «Das erleben wir auch bei unseren regelmässig abgehaltenen Degustationen. Wir haben bei diesen 40 produzierenden Betrieben in der Ostschweiz ein hohes Niveau. Nur ganz selten gibt es darunter einen Ausreisser.» Prinzipiell würden die Hersteller alljährlich kontrolliert werden. «Ein unabhängiger Auditor geht dabei in die Betriebe, sieht sich die Rezepturen und den Produktionsprozess bezüglich der Zutaten der St.Galler Bratwurst an», sagt Urs Bolliger.

«Und wenn wir hinsichtlich der sensorischen, geschmacklichen Qualität einen solchen entdecken - und gerade das ist für die St.Galler entscheidend - gehen wir den Betrieb an und achten sehr genau darauf, dass wir die Qualität verbessern können. Inhaltlich sind die Bratwürste top, die äusserliche Qualität wird Verbesserungsmassnahmen nach sich ziehen.»

Nicht nur den «Club der Freunde der St.Galler Bratwurst» dürfte diese Information freuen.

 

veröffentlicht: 4. November 2016 15:38
aktualisiert: 4. November 2016 15:38

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