FM1-Land

«Leute haben keine Ahnung» – das halten Landwirte von der Vegi-Initiative

01.03.2023, 15:01 Uhr
· Online seit 28.02.2023, 17:21 Uhr
Die «Vegi-Initiative» kommt nicht bei allen gut an. Beschwerden über Markteingriffe und unnötige Vorschriften werden laut. Doch wird die Initiative wirklich so tiefgreifend sein für die Landwirtschaft? Zwei Landwirte erklären die Situation.
Yasmin Stamm
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Die «Vegi-Initiative» der Umweltschützerin Franziska Herren stösst vielen sauer auf. Laut Kommentaren auf FM1Today ist ihre Aufforderung, mehr Pflanzen für den direkten Verzehr durch den Menschen und nicht für Tiernahrung anzubauen, nicht tragbar für die Landwirtschaft. Es seien alles nur «Markteingriffe, um die Welt zu retten», und die Personen formulieren ein klares «Nein zu noch mehr Vorschriften».

Nicht alle Regionen für alles geeignet

Doch die Initiative klingt strikter, als sie überhaupt wäre. Zwar sei es momentan noch früh, eine Einschätzung zu machen, da die Initiative noch nicht lanciert wurde, doch: «In der Landwirtschaft versuchen wir, entsprechend der geografischen Möglichkeiten zu produzieren», sagt Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St.Galler Bauernverbandes. Doch gerade in der Ostschweiz sei es je nach Region fast unmöglich, in gleichem Masse Nahrung für den Menschen anzubauen wie fürs Tier.

«Zum Beispiel die bergigen Regionen im Toggenburg eignen sich überhaupt nicht, Gemüse oder Getreide anzubauen. Da wächst nun mal nur Gras», so Rüesch. «Und das ist halt wirklich einfach nicht für den Verzehr durch den Menschen geeignet.»

Laut Rüesch ist die St.Galler Landwirtschaft aber sehr vielfältig. Man probiere immer neue Dinge aus und entwickle sich weiter. Das bestätigt auch Martin Willi, Direktor des landwirtschaftlichen Zentrums St.Gallen. «Die Ausbildung zur Landwirtin oder zum Landwirt orientiert sich immer an den neuesten Erkenntnissen der Forschungsanstalten und der guten beruflichen Praxis», so Willi.

Ausbildung legt viel Wert auf Fortschritt

In den Fachbereichen Pflanzen- und Tierproduktion würde der Schwerpunkt der Ausbildung im Moment auf der standortgerechten Produktion von Milch und Fleisch liegen. Das bedeutet, dass die nicht ackerfähigen Lagen, wie zum Beispiel eben das Toggenburg, mit Tieren bewirtschaftet werden.

Auch sei man sich der Energieverluste beim sogenannten «Veredelungsprozess», also dem Verarbeiten von Nahrungsmittel in Tiernahrung, um daraus tierische Produkte herzustellen, klar bewusst. Deshalb sei in den letzten Jahren auch ein Schwergewicht auf die verantwortungsvolle und europäische Produktion von Eiweisskomponenten für die Tierernährung gelegt worden.

Auch auf die inländische Produktion dieser Eiweisskomponenten, wie zum Beispiel Soja, wird ein Fokus gelegt. Im besten Fall könne man die Importe so verhindern.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Versuchsflächen der landwirtschaftlichen Schulen und Forschungsanstalten, auf welchen geprüft wird, unter welchen Bedingungen gewisse Sorten in der Schweiz wirtschaftlich und produktionstechnisch überhaupt eine Chance haben.

Landwirte sind dialogbereit

Die «Vegi-Initiative» sei für das landwirtschaftliche Zentrum St.Gallen eine gute Möglichkeit, die landwirtschaftliche Tätigkeit zu reflektieren und sachliche Argumente für beide Seiten zu formulieren. Ansonsten habe sie aber kaum Einfluss auf die landwirtschaftliche Ausbildung und auch der Grossteil der schweizerischen Landwirtschaft sei wahrscheinlich nicht stark davon betroffen.

«Es spielt rein produktionstechnisch keine Rolle, ob ich Brotgetreide für den menschlichen Verzehr oder Futtergetreide für die Tierernährung produziere», so Willi. Bei Kartoffeln, Sonnenblumen, Raps und Zuckerrüben würde sowieso nur für die Humanernährung angebaut werden.

«Uns Landwirtinnen und Landwirten wird mit solchen Initiativen immer wieder vor Augen geführt, wie wenig Ahnung die Gesellschaft vom landwirtschaftlichen Beruf hat», sagt Willi. Dies meine er als Feststellung und nicht als Vorwurf.

Daher versuche man auch in den Regionen die Öffentlichkeitsarbeit zu stärken. «Landwirte und Landwirtinnen sind dialogbereit und erklären auch gerne, was sie tun, und warum sie etwas tun», so Willi.

Die Initiative, wie sie momentan noch formuliert ist, würde in der Landwirtschaft also nicht viel ändern. Dementsprechend scheint sie auch nicht nötig zu sein. Laut Rüesch ist es aber noch zu früh, um darüber zu urteilen. Mehr könne man erst sagen, sobald die Initiative genauer ausformuliert ist.

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veröffentlicht: 28. Februar 2023 17:21
aktualisiert: 1. März 2023 15:01
Quelle: FM1Today

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