Obergericht nimmt Verfahren wieder auf: Ex-Pfarrer von Ruggell soll Kind sexuell missbraucht haben
Das Obergericht Liechtenstein hat die Untersuchungen gegen den ehemaligen Pfarrer von Ruggell wieder aufgenommen, wie das «St.Galler Tagblatt» berichtet. Thomas Jäger, der bis 2020 als Seelsorger in Ruggell amtete, wird des sexuellen Missbrauchs eines achtjährigen Mädchens verdächtigt.
Bereits im Oktober 2019 hatte die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Pfarrer Vorerhebungen beim Landgericht beantragt. Doch das Strafverfahren wurde keine vier Monate später mangels Beweise wieder eingestellt, wie das «Liechtensteiner Vaterland» schreibt. Seit dem 1. Januar 2023 ist nun ein neuer Richter für den Fall Jäger zuständig. Und dieser hält die Sache, anders als sein in Pension gegangener Vorgänger, offenbar noch nicht für abgeschlossen.
196 Websites mit Kinderpornos
Konkret wird Jäger vorgeworfen, im Oktober 2019 ein achtjähriges Mädchen, das in Ruggell ministrierte, unter einem Vorwand in das Pfarrhaus gelockt zu haben. Dort habe er dem Mädchen das T-Shirt hochgeschoben und es an der Brust massiert, wie die Eltern des Mädchens es in einem «Rundschau»-Beitrag des SRF schildern, der im Sommer 2022 ausgestrahlt wurde.
Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler gemäss dem «Liechtensteiner Vaterland» selbstgedrehte Videos mit «klarem Fokus auf die kindliche Mädchenbrust», Kinderpornografie sowie Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung. So fand man eine Ausgabe des Buches «Mein Kampf» von Adolf Hitler und «eine Liste inländischer Neonazis». Weiter wurden im Browser-Verlauf von Jägers Mobiltelefon insgesamt 196 Internetseiten mit pornografischem Inhalt mit Kindern und Jugendlichen gefunden.
Das Fürstliche Landgericht verurteilte Jäger im August 2020 wegen Konsums von Kinderpornografie zu einer bedingten Geldstrafe von 27’000 Franken. Der Pfarrer legte Berufung ein, woraufhin das Obergericht den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwies, wo er bis heute hängig ist. Somit gilt die Unschuldsvermutung.
Das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs hingegen stellte die Staatsanwaltschaft bereits nach vier Monaten wieder ein. Gegenüber SRF teilte sie im Juni mit, das nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte, dass Jäger das achtjährige Mädchen tatsächlich im Brustbereich berührt hatte, und fügte an: «Darüber hinaus war die Brust des Mädchens noch nicht entwickelt.» Den zweiten Teil der Begründung zog die Staatsanwaltschaft wenig später wieder zurück.
Ein Angriff auf den Herrn
Jägers Anwalt schreibt auf Anfrage, dass sein Mandant während des Laufenden Verfahrens keine Stellungnahme abgeben könne. Bislang hat Jäger jegliche Vorwürfe bestritten. So behauptet er, Unbekannte hätten sein Handy missbraucht und die Kinderpornos geguckt.
Er hat eigens eine Internetseite eingerichtet, wo er seine Anhänger zum Spenden auffordert und sich als Opfer einer Hetzkampagne inszeniert. In einem Video erklärt er dort, dass der «Angriff», der Hass und die Hetzte nicht ihm, sondern «dem Herrn» gelten würden. Und: «Gemeinsam werden wir als Kirche diesen Sturm wie so viele andere überstehen».
Die Kirche, das ist in diesem Fall in erster Linie die Erzdiözese Vaduz. Der Erzbischof Wolfgang Haas hatte Pfarrer Jäger lange in Schutz genommen. Ganze vier Monate vergingen, bis Jäger sein Pfarramt niederlegen musste, nachdem die Eltern des achtjährigen Mädchens Anzeige erstattet hatten. Gegenüber SRF teilte das Erzbistum Vaduz im Juni mit: «Kirchlicherseits wurden und werden alle kanonisch erforderlichen Massnahmen korrekt getroffen.»
Das deutsche Bistum Limburg hatte 2006 «seine Priesterweihe wegen erheblicher Zweifel an der Eignung des heute 48-Jährigen abgelehnt», schreibt die «Süddeutsche Zeitung» über Pfarrer Jäger. Daraufhin sei er nach Vaduz gegangen, «wo ihn Erzbischof Wolfgang Haas anstandslos zum Priester ordinierte.»
«Auffangbecken für ultrarechte Priester»
Wie eine Recherche der «Süddeutschen Zeitung» (SZ), die auch im «Tagesanzeiger» erschienen ist, nun aufzeigt, ist Thomas Jäger bei weitem nicht die einzige fragwürdige Figur im Bistum Vaduz. Seit Jahren weihe Erzbischof Wolfgang Haas von anderen Bischöfen abgelehnte Männer zu Priestern. So habe sich das Erzbistum Vaduz zu einem Zentrum kirchlich, politisch und anderweitig auffälliger Priester im deutschsprachigen Raum entwickelt.
Vaduz sei ein Auffangbecken für kirchenpolitisch reaktionäre und politisch ultrarechte Priester geworden, zitiert die SZ den Liechtensteiner Theologen Günther Boss. Der Erzbischof sei ein Fundamentalist, angesiedelt am äussersten rechten Rand der katholischen Kirche, so Boss. «Genau diese Klientel sammelt sich um ihn, und er verteilt sie weiter».