Bodensee

Rätsel um mysteriöse Steinhügel (fast) gelöst

27.09.2019, 17:02 Uhr
· Online seit 27.09.2019, 13:18 Uhr
Seit vier Jahren grübeln die Thurgauer Archäologen nun darüber, was es mit den rätselhaften Steinhügeln am Bodenseeufer auf sich hat. Das Untergraben eines Hügels hat nun Klarheit gebracht - zumindest ein bisschen.
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«Es ist, als gäbe es da draussen eine neue Welt, ein weisser Fleck auf der archäologischen Landkarte, den es jetzt zu entdecken gilt», sagt Urs Leuzinger. Seit 2015 leitet er die Forschungen und Ausgrabungen am Bodensee. Nun ist seine Arbeit vorerst beendet. «Alles, was wir Archäologen tun konnten, ist getan.»

Steinhügel wurden vor 5500 Jahren aufgeschüttet

Das Rätsel um die regelmässigen Aufschüttungen am Bodenseeufer ist damit allerdings noch lange nicht geklärt. Lediglich die genaue Zeit, in der die Hügel errichtet wurden, konnte eingegrenzt werden. Aus der Jungsteinzeit stammen die 170 Hügel, welche sich von Romanshorn bis Bottighofen in rund 200 Metern Entfernung und in vier Metern Tiefe am Bodenseeufer entlangziehen. Die Hügel wurden also vor rund 5500 Jahren aufgeschüttet. Aus dieser Zeit sind bislang noch keine anderen Pfahlbauten rund um den Bodensee bekannt.

Mittels Bagger freigeschaufelt

Zu diesem Ergebnis sind die Forscher dank eines Seebaggers gekommen. «Am Donnerstag vor einer Woche herrschte Bise, das Wasser war sehr trüb und man sah kaum etwas», sagt Leuzinger. Trotzdem wurde der Bagger 200 Meter vom Seeufer in Uttwil auf einem Floss platziert. «Der Baggerfahrer sagte, er habe den Steinhaufen, der mit einer Boje an der Seeoberfläche markiert war, mit seinem Gefühl erspürt.»

Zwei Schaufeln Gestein hat der Bagger ausgehoben und damit unter dem Steinhügel 5 eine Mulde gegraben. Weil das Wasser aber zu trüb war, konnten die Taucher nichts sehen, sie konnten erst am Montag einen neuen Versuch wagen.

Ein «Sahnehäubchen» ertaucht

Was dann allerdings zu Tage kam, nennt Leuzinger ein «Sahnehäubchen» für Archäologen, «s'Tüpfli ufem I». «Nicht nur konnten wir diverse Steine bergen, um die Zeit genauer zu bestimmen, wann die Bauten errichtet wurden. Wir fanden auch zwei Holzpfähle, welche eine sehr genaue Datierung der Hügel zulassen.»

Die Pfähle stammen aus der Jungsteinzeit, sie sind rund 5500 Jahre alt und gut erhalten. «Dank ihnen ist eine sehr genaue Einordnung der Bauten möglich.»

Bodenseespiegel muss deutlich tiefer gewesen sein

Die beiden Holzpfähle erinnern an Holzpfähle, wie man sie heute für den Bau von Gartenzäunen braucht. Sie sind gerade und wurden mit einem Beil aus Stein zurechtgehauen. Dass solche dünnen Pfähle genutzt wurden, weist darauf hin, dass die Steinhügel vor 5500 Jahren am Ufer oder in seichtem Wasser standen. «Das wiederum gibt uns neue Rätsel auf», sagt Leuzinger. «Bislang konnten wir uns nicht vorstellen, dass es in dieser Seetiefe Bauten gab.»

Denn alle Pfahlbauten, die bisher am Bodenseeufer entdeckt wurden und teilweise jünger, teilweise aber auch älter als die Steinhügel sind, wurden auf dem heutigen Niveaus des Seeufers erbaut. «Das bedeutet, dass der Pegel des Bodensees zu dieser Zeit massiv tiefer war als einige Jahrzehnte zuvor und danach.» Wie es zu diesem Absinken und dann wieder Auffüllen des Sees kam, ist unklar und soll vordergründig von Geologen geklärt werden.

Die Archäologen werden sich nun ebenfalls auf diese ufernahen Abschnitte konzentrieren. Eine Fläche, die sie bislang vernachlässigt haben. «Dieser weisse Fleck auf unserer Landkarte soll bald erforscht sein.»

Sinn der Steinhügel ist noch unklar

Auch der Sinn der regelmässig angeordneten Steinhügeln auf einer solchen Länge gibt den Forschern Rätsel auf. «Wofür man die 170 Häufchen aufgeschichtet hat, das ist mir noch immer ein Rätsel. Die Theorien gehen von einem astronomischen Sinn wie ein Stonehenge über Fischerei bis hin zu Ritualen», sagt Urs Leuzinger.

Aus der ganzen Welt hätten ihn in den letzten Jahren Theorien erreicht, einige seien wahrscheinlicher, andere eher absurd. «Ich selbst glaube, dass es Grabhügel sind oder Plattformen, auf die man früher Tote gebettet hat.» Definitiv herausfinden wird man das aber wohl nie. «Das bleibt eine reine Spekulation.»

Quelle: TVO

Hintergründe werden weiter untersucht

Während die Arbeiten im Bodensee nun abgeschlossen sind, geht die theoretische Arbeit am Schreibtisch weiter. Eine Masterarbeit der Uni Bern soll die Befunde, die man im Bodensee gemacht hat, geschichtlich einordnen. Das dauert aber noch rund zwei Jahre. Mittels verschiedener Messmöglichkeiten wird ausserdem das Alter der Steine und Holzpfähle genauer eingeordnet.

Bis dahin setzt sich ein interdisziplinäres Team aus verschiedenen Fachbereichen im Thurgau zusammen. «Wir werden einen runden Tisch machen, um das weitere Vorgehen zu besprechen», sagt Leuzinger. Folgen werden vermutlich etliche wissenschaftliche Arbeiten und Paper zu den Auswertungen der Proben. «Der Fund ist nach wie vor eine wissenschaftliche Sensation.»

veröffentlicht: 27. September 2019 13:18
aktualisiert: 27. September 2019 17:02
Quelle: FM1Today

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