Kanton St.Gallen

Run auf Waffengesuche: Polizei warnt vor «falscher Sicherheit»

22.04.2022, 06:34 Uhr
· Online seit 22.04.2022, 06:26 Uhr
Die Zahl der Waffenerwerbsscheine hat in der letzten Zeit schweizweit enorm zugenommen, wohl nicht zuletzt wegen des Ukraine-Kriegs. Ein Schein kann mit gewissen Voraussetzungen beantragt werden. Aber: Eine Waffe allein bringt nicht unbedingt Sicherheit.
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«Im Vergleich zur Vorjahresperiode haben wir dieses Jahr von Januar bis März über 60 Prozent mehr Waffenerwerbsscheine ausgestellt. Konkret sind das 580 Scheine in diesem Jahr», sagt Florian Schneider, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen. Waffenerwerbsscheine sind in der Schweiz momentan sehr gefragt, nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine ist die Zahl der Gesuche nochmals gestiegen, wie «SRF» berichtete.

Die derzeitige Zunahme der Waffenerwerbsscheine ist enorm, jedoch gibt es seit mehreren Jahren einen Anstieg der Anträge. «Warum die Zahl steigt, ist statistisch nicht erhoben. Wir können uns aber durchaus vorstellen, dass die weltpolitische Lage etwas mit dem Anstieg zu tun hat», so Schneider.

Anträge werden einzeln beurteilt

Welche Art von Personen den Waffenerwerbsschein beantragen, wird jeweils im Einzelfall beurteilt und wird nicht statistisch erhoben. Die meisten Anträge werden bewilligt. «Der Grossteil der Personen, die einen Schein beantragen, kennen die Voraussetzungen und sind informiert», sagt Schneider.

Bei erstmaligem Antrag wird man polizeilich einvernommen. «Dort werden Beweggründe für den Kauf erfragt und es wird abgeklärt, ob man bei anderen Amtsstellen schon bekannt ist», sagt Schneider. Ablehnungen können diverse Gründe haben: Einträge im Strafregister, Vorgeschichten von psychischen Erkrankungen oder auch gewisse Staatsangehörigkeiten, wie zum Beispiel Albanien oder Serbien.

Innerhalb von sechs Monaten nach Ausstellung können bis zu drei Waffen mit dem Erwerbsschein gekauft werden. Diese müssen aber alle am selben Datum und beim gleichen Verkäufer gekauft werden. «Im Schnitt werden 1,5 Waffen pro Waffenerwerbsschein gekauft. Zu den Käufern gehören auch Jäger oder Sportschützen, die verschiedene Waffen zur Ausübung benötigen», sagt Schneider.

Gewaltdelikte mit Waffen noch eher selten

«Bei den schweren Gewaltdelikten kommt die Schusswaffe nicht oft zum Einsatz. Auffälliger sind eher Schneid- und Stichwaffen und Körpergewalt». Dass die Waffengewalt durch die Zunahme der Waffenerwerbsscheine zunimmt, ist aber dennoch durchaus möglich. «Je mehr Waffen im Umlauf sind, desto eher kann natürlich auch eine Waffe eingesetzt werden. Aber man hofft bei jeder Ausstellung eines Waffenerwerbsscheins, dass nichts passiert», sagt Schneider.

Mehr Waffen zum Schutz im Umlauf?

«Die Leute haben das Gefühl, dass sie sicherer sind, wenn sie eine Waffe zu Hause haben – das ist aber eine falsche Sicherheit. Eine Waffe alleine nützt nichts, denn der Einsatz selbst muss ja auch gerechtfertigt sein. Nur in äussersten Fällen darf man solche Waffen überhaupt zum Schutz einsetzen», sagt Schneider.

«Ob die Leute sich effektiv vermehrt Waffen kaufen zum Selbstschutz, ist schwierig zu beurteilen und kann ich so nicht bestätigen», sagt Christof Büchel, Inhaber von Büchel Waffen und Outdoor GmbH. Viele Leute kaufen bei ihnen mit einem Waffenerwerbsschein zum ersten Mal eine Waffe ein. «Oft sind das aber Personen mit Familie oder Kollegen, die schon hobbymässig schiessen und es auch probieren wollen»,  so Büchel.

Auch ein vermehrter Anstieg von Waffenkäufen ist nicht konkret der Fall. «Der Verkauf von Waffen ist immer wellenartig. Aktuell ist es aber tendenziell mehr als vor einem halben Jahr oder einem Jahr», sagt Büchel. Ob künftig mehr Waffen im Umlauf sind, weil mehr Waffenerwerbsscheine ausgestellt wurden, wird sich wohl in einem halben Jahr zeigen.

SP über Entwicklung beunruhigt, SVP verständnisvoll

Auch in der Politik wird über die ansteigenden Waffenerwerbsgesuche gesprochen. «Wir wissen aus den Erfahrungen in anderen Ländern, dass mehr Waffen in Privatbesitz nicht für mehr Sicherheit sorgen. Wenn Menschen sich aus Angst Waffen zulegen, ist das aber meistens gefährlich für die Allgemeinheit», sagt Min Li Marti, Nationalrätin der SP. Sorgen um die öffentliche Sicherheit müsse man sich aber nicht machen.

Mauro Tuena, Nationalrat der SVP, hat Verständnis für die verstärkte Nachfrage. «Man spürt ein Umdenken beim Thema Sicherheit in der Schweiz», sagt Tuena. Auch er betont aber, dass eine Waffe allein noch keine Sicherheit bringe. Man müsse auch mit dieser trainieren und umgehen können.

veröffentlicht: 22. April 2022 06:26
aktualisiert: 22. April 2022 06:34
Quelle: FM1Today

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