Sexuelle Belästigung: Die Dunkelziffer ist hoch
Sexuelle Belästigung, ein Delikt, das es oft nicht bis zur Anzeige schafft. Und obwohl immer mehr Frauen sagen, dass sie sich nachts alleine fast nicht mehr auf die Strasse trauen, steigen die Zahlen nicht, sondern sind seit Jahren konstant. Die Kantonspolizei St.Gallen registriert jährlich rund 50 Vorfälle, der Thurgau meldet halb so viele.
Opfer entscheidet, ob es Anzeige erstatten will
Doch die Zahlen der Polizei bilden nur ein Bruchteil der Realität ab. «Ich gehe von einer hohen Dunkelziffer aus», sagt Brigitte Huber, Geschäftsleiterin der Opferhilfe St.Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, gegenüber dem «St.Galler Tagblatt». Bei einer sexuellen Belästigung entscheidet das Opfer, ob es Anzeige erstatten will. Darauf verzichten viele.
Acht Prozent erstatten Anzeige
Eine Studie von Amnesty International hat es sich zum Ziel gesetzt, die Dunkelziffer zu beziffern. Jede zweite der rund 4500 befragten Frauen gab an, sexuelle Belästigung erfahren zu haben durch unerwünschte Berührungen, Umarmungen oder Küsse. Genauso viele berichten von suggestiven Kommentaren oder unangemessenes Anstarren. Jede Fünfte Frau gab an, sexuelle Gewalt erlebt zu haben. Nur acht Prozent der Befragten erstatteten Anzeige.
Frauen fürchten sich vor Gang zur Polizei
Die Opferhilfe und das Kantonsspital St.Gallen haben eine Soforthilfe für Opfer von sexueller Gewalt eingerichtet. 70 Personen haben sie letztes Jahr in Anspruch genommen. «Mehr als die Hälfte hatten bereits vor der Betreuung durch die Soforthilfe Anzeige erstattet», sagt Brigitte Huber. Viele Frauen fürchten sich vor dem Gang zur Polizei, nicht zuletzt weil das Strafverfahren eine Belastung darstellt und die Beweislage oft schwierig ist. Eine Anzeige sei dennoch sinnvoll.
Die Angst vor Fremden, die in der Dunkelheit auflauern, sei nicht die Realität, sagt Huber. «Sexuelle Übergriffe erfolgen oftmals durch Personen, die Frau oder Mann bereits kennt.» Ein Mittel gegen die Unsicherheit ist der «WayGuard App» der AXA-Versicherung. Mithilfe des Standort-Tracking begleitet die App die Nutzer virtuell nach Hause und löst im Ernstfall ein Notruf aus. Innert zwei Monaten registrierten sich über 16'000 Nutzer.
(red.)