Sie stellt Liebesgrüsse mit dem Pferd zu

17.06.2017, 19:38 Uhr
· Online seit 17.06.2017, 17:56 Uhr
Die digitale Welt verlangt Geschwindigkeit und schnelle Kommunikation. Barbara Camenzind aus Staad wirkt dem entgegen indem sie sich als berittene Botin anbietet. Sie bringt so überraschten Empfängern süsse Liebesbriefe oder gar Botschaften zum Abschied.
Raphael Rohner
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Schon früh am Morgen steht Barabara Camenzind im Stall ihres Pferdes Thàlfi. Das Morgenlicht fällt aus dem immer dünkler werdenden Himmel auf die Wiesen und Weiden um den Stall. In aller Ruhe grast darauf in einigen hundert Metern Entfernung das Pferd der Rasse Isländer, Camenzinds Pferd mit dem Namen Thàlafi: «Heute wird er wieder arbeiten müssen. Wir müssen einen Brief samt Blumen zustellen», sagt Barbara Camenzind und richtet Thàlfis Sattel.

Keine Garantie für Blumen wegen verfressenem Pferd

Camenzind überbringt Grüsse und Botschaften zu Pferd. Diese liest sie dann dem Empfänger vor: «Früher war das die Aufgabe eines echten Boten. Heute ist es unvorstellbar auf eine Nachricht mehrere Tage warten zu müssen.» Eben diese Verlangsamung fasziniert sie. Zudem kann sie den Empfängern auch kleine Dinge mitbringen, wie Blumen oder andere Aufmerksamkeiten. «Bei den Blumen gewähre ich aber keine Garantie, dass sie auch wirklich ankommen - Thàlfi liebt frische Blumen ebenso», scherzt die Reiterin.

«Ich sage mit einer Botschaft zu Pferd Danke»

Wir holen die heutige Botschaft bei Fränzi Blattmann ab, welche sich damit bei ihrem Onkel bedanken will. Sie wartet bereits mit einem Kaffee und einem Pferde-Imbiss für Thàlfi. Für Blattmann ist die berittene Botin eine wundervolle Sache: «Ich könnte mir nichts schöneres vorstellen als so eine Dankes-Botschaft zu bekommen. Darum habe ich mich auch dafür entschieden.» Ihre Nachricht diktiert sie der Botin Camenzind, welche diese Wort für Wort notiert. Thàlfi wartet derweil draussen auf seinen Einsatz. Vor dem Losritt bekommt Camenzind noch einen Blumenstrauss übergeben, den sie ebenfalls mitnehmen soll.

Per berittene Botin mit der Freundin Schluss machen

Aber nicht nur schöne Nachrichten überbringt Camenzind mit ihrem Thàlfi: «Ich musste einmal einen Brief überbringen, der wohl zum Schlussmachen geschrieben war.» Diesen hat sie aber nicht vorgelesen, sondern nur überbracht. Camenzind bekommt meist per E-Mail oder über Facebook Anfragen zum Überbringen der Botschaften. Diese schreibt sie dann von Hand auf ein schönes Stück Papier und bringt sie den Empfängern. Verdienen will sie nichts mit ihren Botengängen: «Als Lohn für meinen Dienst lasse ich mich zu einem Essen im Marienberg einladen, so wird auch die Gastronomie unterstützt.» Ihr sei es viel wichtiger, dass der Auftraggeber an Thàlfi denke und ihm einen Sack Äpfel oder Rüebli zukommen lasse.

«So einen Tierischen Pöstler habe ich noch nie gesehen!»

Camenzind und Thàlfi reiten durch den grauen Morgen zu Blattmanns Onkel. Dabei geht es über Hauptstrassen, durch Parks und schliesslich zum Haus des Empfängers. «Hoffentlich ist er zuhause», sagt Camenzind und klingelt. Ein erstaunter Onkel öffnet die Türe: «Wow! So einen tierischen Pöstler habe ich noch nie gesehen!» Camenzind verliest ihm die Botschaft seiner Nichte und übergibt dem sichtlich gerührten Mann die Blumen und das Stück Papier.

Im Hörsaal auf die Idee gekommen

Auf die Idee gekommen ist Camenzind in einem Hörsaal der St.Galler Fachhochschule. In einer Vorlesung von Mark Riklin hörte sie von dieser Idee der Entschleunigung der Kommunikation und war sofort interessiert. Es ging nicht lange und sie setzte die Idee in die Tat um: «Ich habe gleich losgelegt und bekam rasch die erste Anfrage.» Ihr Dozent, der seit einigen Jahren Depeschen überbringt findet Camenzinds Botenarbeit super: «In unserer schnelllebigen digitalen Zeit habe die Leute eine Sehnsucht nach langsamen, analogen Dingen. Für besonders emotionale Botschaften ist so ein Bote etwas wirklich besonders schönes.»

Hier geht es zum TVO-Bericht:

 

veröffentlicht: 17. Juni 2017 17:56
aktualisiert: 17. Juni 2017 19:38
Quelle: rar

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