Partizipation

St.Gallen schneidet digital top ab – viel Nachholbedarf in den beiden Appenzell

· Online seit 14.11.2021, 08:54 Uhr
Wie gut klappt der digitale Austausch zwischen der Bevölkerung und den Behörden? Sind die Angebote niederschwellig? Zu diesen und weiteren Fragen gibt es jetzt eine Untersuchung. Dabei zeigt sich, dass St.Gallen an der Spitze mitspielt, die beiden Appenzell bilden das Schlusslicht.
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Die digitale Welt spielt in der politischen Meinungsbildung und im Austausch mit den Behörden eine immer stärkere Rolle. Diesem Umstand trägt ein neuer Index Rechnung. Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) und der Think Tank Procivis haben die digitale politische Beteiligung in den Kantonen untersucht und eine Rangliste erstellt.

Dabei zeigen sich grosse Unterschiede. So belegt St.Gallen (51 von 100 Punkten) den zweiten Platz hinter Genf (55 Punkte). Noch knapp in die Top 10 hat es der Thurgau (41 Punkte) geschafft, Graubünden ist mit 26 Punkten unter dem Durchschnitt. Appenzell Innerrhoden (10 Punkte) und Appenzell Ausserrhoden (6 Punkte) bilden das Schlusslicht.

Einordnung schwierig

Andreas Disch vom Kommunikationsdienst Appenzell Ausserrhoden sagt dazu: «Die Rangierung ist eine Momentaufnahme und die Methodik der Bewertung ist schwierig zu überprüfen. Das Thema und die Bedürfnisse wandeln sich stetig.» Entsprechend positiver wird das Resultat im Kanton St.Gallen zur Kenntnis genommen. Staatssekretär Benedikt van Spyk sagt: «Das positive Ergebnis würdigt das grosse Engagement des Kantons in den unterschiedlichen Bereichen, die für die digitale politische Partizipation relevant sind.»

Disch sieht im Index – trotz des schlechten Abschneidens des Kantons Appenzell Ausserrhoden – auch eine Chance: «Er gibt erstmals einen guten Gesamtüberblick, wie die Kantone in Sachen digitaler politischer Partizipation stehen. Er zeigt auf, wo Handlungsbedarf bestehen könnte. Der Wert eines solchen Indexes zeigt sich jedoch erst über die Zeit, wenn Veränderungen in der Positionierung der Kantone dargestellt und Trends erkennbar werden.»

Noch viel Potenzial vorhanden

Von den Studienautorinnen und -autoren heisst es ganz allgemein: «Gegen oben ist noch viel Luft.» Die Untersuchung zeige, dass viele Kantone zwar bemüht seien, aber bei allen sei noch viel Potenzial zu einer Verbesserung da. Weiter heisst es in der Untersuchung: «Tendenziell führen bevölkerungsreiche und finanzstärkere Kantone das Ranking an.» Trotzdem kämen auch diese nicht auf hohe Werte auf dem Index.

Van Spyk sieht denn auch beim Kanton St.Gallen vor allem Potenzial in der Einführung einer eID beziehungsweise eines sicheren Logins für Behördendienstleistungen: «Die Möglichkeit zur sicheren und verlässlichen Identifikation und Verifikation der Bürgerinnen und Bürger stellt eine zentrale Voraussetzung dar, um auch die digitalen politischen Rechte zu fördern.» Dieser Einschätzung schliesst sich auch Andreas Disch an. Er bezeichnet die eID als «Voraussetzung für die Entwicklung zahlreicher digitaler Dienstleistungen».

Mehr Möglichkeiten bei grösserer Bevölkerung

Weiter heisst es in der Untersuchung: «Bei einer grossen Bevölkerung zahlen sich digitale Möglichkeiten der Partizipation eher aus.» Genauer auf den Grund der möglichen Unterschiede zwischen den Kantonen geht die Untersuchung jedoch nicht.

Dass man auch bei einer kleineren Bevölkerung grosse Ziele haben kann, zeigt sich in Appenzell Ausserrhoden. Der Kanton hat eine eGovernment- und Informatik-Strategie mit Zielen bis 2026. «Digitale Arbeitsabläufe sind nicht einfach die bisherigen Abläufe, sondern mit Hilfe von ditigalen Werkzeugen optimierte Prozesse» und «Digitale Arbeitsabläufe haben oberste Priorität». Ausserrhoden will, dass die digitalen Angebote für die Benutzerinnen und Benutzer «automatisch zur ersten Wahl werden».

E-Voting und Open Data

Benedikt van Spyk erwähnt auch das E-Voting als Chance: «Der Kanton St.Gallen sieht vor, dass wenn der Bund ein E-Voting-System für den Betrieb zulässt, die elektronische Stimmabgabe im Rahmen einer weiteren Pilotphase wieder aufgenommen werden soll. Aktuell gehen wir davon aus, dass wir das Ende 2022 machen können.» Er betont aber, dass auch hier der Grundsatz «Sicherheit vor Tempo» gelte.

In der Studie wird St.Gallen speziell für das Open-Data-Portal gelobt. Van Spyk: «Die gute und einfache Erreichbarkeit von Informationen, die es erlauben, den politischen Prozess möglichst breit zu verfolgen, ist ein wesentliches Anliegen beim weiteren Ausbau des Datenkatalogs. Open Government Data hat ein grosses Potenzial, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des staatlichen Handels zu verbessern.»

Drei Teilbereiche untersucht

Bei der Untersuchung selbst gab es drei Teilbereiche, die genauer angeschaut wurden: die Meinungsbildung, die Mitwirkung und die Entscheidung.

Auffällig tiefe Werte gab es hier bei der politischen Entscheidung. Die Begründung: Fehlendes E-Voting oder keine rechtliche Grundlage dafür. Dass es durchaus auch berechtigte Kritik und Einwände gegenüber dem E-Voting zum Beispiel betreffend Datenschutz und Manipulierbarkeit gibt, wird in der Untersuchung ausgeblendet. Hingegen wird anerkannt, dass beim E-Voting «die Einschränkung auf die übergeordneten Rahmenbedingungen der Versuchsanordnung des Bundes zurückzuführen sind».

Die Rangliste bei der Entscheidung:

Nicht nur wegen dieser eher einseitigen Betrachtungsweise auf die digitalen Themen der Kantone und der damit verbundenen Politik ist der Index eher mit Vorsicht zu geniessen.

Beim Faktor «Meinungsbildung» kann ein Kanton punkten, wenn er zum Beispiel Smartvote zur Verfügung stellt. Oder auf Social Media vertreten ist. Für zusätzliche Interaktion gibt es ebenfalls Punkte.

Ob überhaupt ein Kanton in dieser Kategorie die volle Punktzahl bekommen konnte, bleibt unklar: «Wie genau der Gold-Standard aussieht, lassen wir noch offen. Es müsste eine auf Kompetenzerwerb ausgerichtete integrierte digitale Plattform sein, die es erst noch zu erfinden gilt.»

Die Rangliste bei der Meinungsbildung:

In der Rubrik «Mitwirkung» punktet ein Kanton bereits, wenn er die Protokolle der Ratssitzungen online stellt, St.Gallen hat hier einen Vorteil, dass es ein Open-Data-Portal gibt. Gibt es parteiungebundene Online-Petitionsplattformen, holt der Kanton weitere Punkte.

Die Rangliste bei der Mitwirkung:

veröffentlicht: 14. November 2021 08:54
aktualisiert: 14. November 2021 08:54
Quelle: FM1Today

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