Ostschweiz

«Anfragen haben sich fast verdoppelt»: Paare feiern wieder Hochzeiten

· Online seit 03.05.2022, 09:34 Uhr
Nach den Coronalockerungen feiern Ostschweizerinnen und Ostschweizer den schönsten Tag im Leben ohne Einschränkungen. Die Freude ist nicht nur bei den angehenden Eheleuten gross.
St.Galler Tagblatt/Rossella Blattmann
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Sie sind schon von weitem zu sehen, zu hören und zu riechen. Sie besetzen den halben ICE-Wagen von Zürich in Richtung München. Auf den Tischen stehen blaue Bierdosen sowie Wodka- und Gin-Flaschen aus dem Discounter. Die jungen Männer trägt einheitliches Schwarz, nur der Bräutigam in spe sticht mit seinem eng anliegenden, knallroten Ganzkörperpyjama hervor. Die Unterhose trägt er darüber, nicht darunter, und für den Toilettengang legen ihm die johlenden Kollegen eine Kette aus leeren Alubüchsen um den Hals.

Die feuchtfröhlichen Poltertruppen, die dieser Tage an den Wochenenden wieder in den Zügen und Gassen unterwegs sind, zeigen: Nach der Aufhebung der Coronaeinschränkungen finden wieder mehr Hochzeitsfeste statt, schreibt das «St.Galler Tagblatt».

Reges Interesse am Traum in Weiss

Kerstin Alber führt das Brautmodegeschäft Rosa Bridal Fashion in Rorschach. Seit Anfang des Jahres steige die Nachfrage nach Brautkleidern kontinuierlich. Nachdem der Bundesrat Mitte Februar fast alle Covid-Restriktionen aufgehoben hatte, wuchs laut Alber das Interesse am Heiraten stark. Sie sagt: «Die Anfragen haben sich fast verdoppelt.» Tendenz steigend. Das wachsende Interesse am Traum in Weiss stellt die Fachfrau für Brautmode auch vor Herausforderungen.

Sie beobachte, dass viele Bräute nach Corona-Ende ihre Hochzeit für dieses Jahr fest geplant und die Örtlichkeit für die Feier organisiert hätten, und nun noch das Kleid bräuchten, hält Alber fest. Daher erhalte sie momentan vermehrt «sehr kurzfristige» Anfragen. «Wir müssen Kleider direkt aus unserem Showroom verkaufen», sagt Alber. Dies, weil die übliche Produktion- und Lieferzeit für die Neubestellung eines Qualitätsbrautkleides normalerweise bei sechs Monaten liege und sie Bräute so kurzfristig nicht mehr bedienen könne. Die Rorschacher Brautmodeverkäuferin rät allen Bräuten, die dieses Jahr noch heiraten wollen, sich «so schnell wie möglich» um ihr Kleid zu kümmern.

An Wochenenden sehr ausgelastet

Ebenfalls in Rorschach befindet sich die Backstube von Mirdita Guraziu. Direkt nach Aufhebung der Coronamassnahmen sei das Geschäft verhalten gewesen, sagt die als «Tortenkönigin» bekannte Patissière. «Viele waren überrascht, dass es so schnell gegangen ist, und vielleicht auch noch ein wenig skeptisch», sagt sie. Doch diese Skepsis legte sich bald. «Ab April nahmen die Bestellungen rasant zu», sagt Guraziu und hält fest: «Vor allem an den Wochenenden sind wir nun sehr ausgelastet.»

Guraziu rührt den Schwingbesen nicht nur für Hochzeiten, sondern auch für Geburtstage, Erstkommunionfeiern oder Taufen. Bei den Hochzeiten werde das Auftragsvolumen auf den Herbst oder Frühling 2023 weiter zunehmen. Für eine Hochzeitsplanung brauche es eine gewisse Vorlaufszeit. «Das geht nicht einfach mal schnell auf nächste Woche», sagt sie.

Sicherheit für das Hochzeitsgewerbe

Dass sich die Lage für Dienstleistende im Hochzeitsgewerbe wieder bessert, spürt auch das Rheintal Catering, das auf dem Weingut Tobias in Berneck auch Hochzeiten organisiert. Lisa Meudtner, Verantwortliche für Hochzeiten und Events im Weingut, sagt: «Wir sind definitiv wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.» In den Sommermonaten von Mai bis September finden laut Meudtner 2022 auf dem Weingut vor allem am Freitag und Samstag «sehr viele Hochzeiten» statt.

Der Thurgauer Hochzeitsfotograf Jan Keller zeichnet ein ähnliches Bild. «Meine Auftragsbücher erhalten definitiv wieder einige Hochzeiten mehr», sagt der Pfyner. Die Brautpaare planten aktuell ihre Feste ohne verschiedene Wenn und Aber für die kommenden zwei Jahre. «Das spüren natürlich auch wir», so Keller.

So eine Hochzeit will geplant sein. «Ich darf glücklicherweise sagen, dass wir dieses Jahr vom Buchungsstand her endlich wieder auf das Niveau vor Corona kommen oder dieses vielleicht sogar leicht übertreffen», sagt Liv Rieder, Wedding-Planerin beim Hotel Greuterhof in Islikon. Im «Greuterhof» finden laut Rieder pro Jahr zwischen 25 und 35 Hochzeiten statt, 2022 sind es zurzeit 31. Doch Rieder schliesst Spontanhochzeiten für das laufende Jahr nicht aus. «Es kann gut sein, dass für dieses Jahr noch eine bis fünf Hochzeiten dazukommen», so die Hochzeitsplanerin.

St.Galler Zivilstandsbeamtin sagt: «Wir sind sehr gut gebucht»

Die Feste fielen während der Pandemie zwar ins Wasser, doch Ostschweizer Paare schlossen trotz Einschränkungen den Bund fürs Leben, berichtete das St.Galler Tagblatt bereits im vergangenen Jahr. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage bei den Ostschweizer Zivilstandsämtern.

In der Stadt St.Gallen und Umgebung etwa fanden gemäss Stephanie Mogg, Leiterin des regionalen Zivilstandsamts St.Gallen, im ersten Coronajahr 381 Eheschliessungen statt; 2021 waren es bereits 412. «Ich würde 2020 in Sachen Eheschliessungen eher als Krisenjahr bezeichnen, da der Einbruch deutlicher zu spüren war», sagt Mogg. Der Schock habe im Folgejahr schon recht nachgelassen, und die Situation sei eher akzeptiert worden. 2022 werde wohl ein «sehr geschäftiges Eheschliessungsjahr», so Mogg. «Wir sind sehr gut gebucht.»

Per Ende April fanden in St.Gallen rund 130 Trauungen statt. Eine effektive Zahl im Bezug auf den Rest des Jahres nennt Mogg nicht. Sie hält aber fest, dass sich mit dem Ja zur «Ehe für alle» die Anfragen von Kurzentschlossenen häufen könnten. Die ersten gleichgeschlechtlichen Trauungen finden ab 1. Juli statt.

veröffentlicht: 3. Mai 2022 09:34
aktualisiert: 3. Mai 2022 09:34
Quelle: St.Galler Tagblatt

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