St.Gallen

«Armi Sieche»: Büezer froh, wieder in der Wärme zu essen

09.03.2021, 05:49 Uhr
· Online seit 09.03.2021, 05:44 Uhr
Der Gastro-Lockdown ist passé – zumindest für Büezer. Sie dürfen seit Anfang März wieder in der Wärme ihren wohlverdienten Zmittag essen. Für die Beizer ist die Kundschaft ein Segen, allerdings kein finanzieller. Ein Augenschein in der Büezer-Beiz Gartenhaus in St.Gallen.

Quelle: FM1Today

Anzeige

Montagmittag, kurz vor 12 Uhr. Bei der St.Leonhardbrücke, unweit des Kugl und direkt gegenüber der Stadtpolizei, steht ein unscheinbares Haus. Autos und Lastwagen brettern auf der Hauptstrasse daran vorbei, niemand scheint gross Notiz von dem Gebäude zu nehmen. Vor dem Haus steht ein grosses Schild, darauf prangt in grüner Kreide:

Vor dem Restaurant Gartenhaus sind schon einige Autos mit Aufschrift parkiert, die auf die Klientel im Innern schliessen lassen: Schreiner, Gerüstbauer, Bauarbeiter. Eine gut gelaunte Wirtin empfängt uns mit strahlendem Lächeln – vermuten wir. Wegen der Maske im Gesicht ist das schwer auszumachen, doch die Augen der Frau strahlen.

Die 38-jährige Raquel Pieth führt das Gartenhaus seit August letzten Jahres. Die gutschweizerisch-bürgerliche Küche geniesst in St.Gallen hohes Ansehen – nicht zuletzt wegen der feinen Cordon Bleus. Nebst der Spezialität des Hauses serviert das Gartenhaus am Büezer-Zmittag am Montag zwei Menus: Spaghetti Bolognese oder Pastetli mit Gemüserahmsauce.

«Wir sind ein bisschen nervös, weil wir nicht wissen, was uns erwartet. Wir freuen uns aber sehr darauf», sagt Pieth vor ihrem Restaurant. Doch auch wenn der Laden von 11 bis 14 Uhr brechend voll wäre, ein finanzieller Erfolg dürfte es nicht werden, gibt sie zu bedenken: «Das lohnt sich eigentlich nicht. Doch wir tun es wegen unserer Gäste und als Dank, dass sie uns treu bleiben.» Wie so viele Restaurantbetreiber hat auch Pieth nur einen sehnlichsten Wunsch: «Wir hoffen so, dass wir noch im März wieder komplett aufmachen können.»

Betritt man das Restaurant, fallen die grossen Plexglasscheiben als erstes ins Auge. Auf jedem Tisch stehen sie und sollen als Barriere wirken. Zudem sind an jedem Tisch maximal zwei Personen zugelassen, die sich übers Kreuz hinsetzen müssen.

«Es ist schon geil, wieder drinnen zu essen. Aber die ganzen Massnahmen sind auch einfach ein Scheiss», ärgert sich Schreiner Matthias, der zusammen mit seinem Auszubildenden Suppe und Spaghetti bestellt hat. Mehrere Male mussten die beiden in der Vergangenheit in der Kälte essen, da sie als Schreiner keine Baracke haben. Die Massnahmen seien sinnvoll, gibt er zu bedenken. Doch Menschen würden so oder so «aufeinander hocken». Gut vorstellen könnte sich Matthias beispielsweise eine Rückkehr zu den Vierertischen, wie im letzten Jahr. Shoppen sei schliesslich auch wieder erlaubt.

«Ich mag es ihnen von Herzen gönnen, dass sie jetzt wieder öffnen dürfen», sagt Büezer Andy, dem wir vor dem Gartenhaus begegnen. Die vielen harten Schicksale gewisser Wirtinnen und Wirte machen dem jungen Mann zu schaffen. «Das sind schon armi Sieche.»

Auch Rouven Knaus, Umzugsfachmann bei der Odermatt Transporte AG, ist die Erleichterung über die warme Mahlzeit in der geheizten Wirtsstube ins Gesicht geschrieben. «Das erste Mal seit einem halben Jahr habe ich jetzt wiedermal in der Wärme Zmittag gegessen. Es war mega lecker.» Auch Knaus hat in der Vergangenheit den Grossteil seiner Mahlzeiten im Freien verbracht: «Man hat gefroren. Das war echt mühsam.»

Gäste, wie auch die Wirtin, lassen sich aber von den Massnahmen und auch vom finanziellen Nullsummenspiel nicht aus der Ruhe bringen und freuen sich auch weiterhin auf viele strahlende Büezer-Gesichter, die endlich wieder in Ruhe zu Mittag essen können. Getreu dem Motto auf einer weissen Tafel am Eingang des Restaurants:

Hier findest du die «Büezer-Beizen» in deiner Region:

veröffentlicht: 9. März 2021 05:44
aktualisiert: 9. März 2021 05:49
Quelle: FM1Today

Anzeige
Anzeige