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Darf ich jetzt ins Internet?

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Darf ich jetzt ins Internet?

29.08.2019, 09:15 Uhr
· Online seit 01.12.2018, 11:28 Uhr
Einen Breitbandanschluss zu besitzen, gehört in der Schweiz zur Grundversorgung : Trotzdem gibt es immer noch Randregionen, die noch keinen solchen Internetzugang haben. In diesen Gebieten ist das Internet sehr langsam und Fernsehen nur mit einer Schüssel möglich - so zum Beispiel bei meinen Eltern. Die Swisscom verspricht Lösungen.
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Meine Mutter spielt auf ihrem Tablet einen «Samschtig-Jass», meine Schwester lädt gerade ein Foto auf Instagram und mein Vater schaut Netflix auf dem Laptop. Ich versuche schon zum zehnten Mal meinen Mailaccount zu öffnen, doch statt meines Posteingangs offenbart sich mir nur eine weisse leere Seite bei dem oben links beim Fenster seit gefühlten 20 Minuten ein «Rädli» dreht.

Ich fluche, fast synchron wie mein Vater: «Gopfvertelli», ihn hat es schon zum dritten Mal in den letzten fünf Minuten aus Netflix geworfen. Mamas Meister-Slalom-Blatt in der Hand wurde soeben zunichte gemacht, weil sich die App automatisch schloss und meine Schwester muss die Hashtags unter ihrem Selfie schon zum dritten Mal eingeben. Beinahe gleichzeitig rufen wir aus: «Könnt ihr nicht bitte kurz aus dem Internet?»

Was klingt wie eine Anekdote von vor 15 Jahren ist bei uns Zuhause im Toggenburg immer noch Tatsache.

SRF stellt Sender ab

Sind bei uns mehrere Personen gleichzeitig im Internet, ist unser Router extrem überfordert. Er bezieht das Internet aus dem mobilen Netz. Leider ist aber bei uns das mobile Netz nicht gerade das beste und deshalb schnelles Internet ein Fremdwort. Versuchen wir ausserhalb der Stube und nicht in nächster Nähe (ca. eineinhalb Meter vom Router entfernt) ins Internet zu gehen, funktioniert dies selten. Im Bett mit dem Laptop auf Netflix einen Film schauen, kann ich vergessen. Auch Fernsehen ist nicht über eine TV-Box möglich, da die Internetleistung dafür zu schwach ist. Weil meine Eltern keine Satelliten-Schüssel haben, beziehen wir die Sender derzeit noch über Antenne. Was heisst, dass wir gerade einmal die SRF-Sender haben. Dies aber nicht mehr lange - die letzten Sender werden kommendes Jahr ausgeschaltet. Aus Sparmassnahmen des SRF. TV-Konsumenten wird eine Satelliten-Schüssel empfohlen.

Die Hälfte der Bevölkerung ohne Breitbandanschluss

Weil für meine Eltern aus verschiedenen Gründen, unter anderem auch visuellen Ursprungs, eine Satellitenschüssel nicht in Frage kommt, verhandeln sie schon seit längerem mit verschiedenen Anbietern wegen einer Breitbandlösung. Dafür müssten aber neue Leitungen gelegt werden, da die Leitungen des Dorfes Wattwil rund 500 Meter vor dem Quartier aufhören, in dem meine Eltern wohnen. Scheftenau heisst das Gebiet und es befindet sich rund fünf Kilometer vom Dorfzentrum von Wattwil entfernt.

Das Quartier meiner Eltern ist nicht das einzige, welches noch keinen Breitbandanschluss besitzt. Es ist aber schwierig in Prozentzahlen zu sagen, wie viele Menschen ans Breitband angeschlossen sind. Gemäss Zahlen des Bundesamts für Statistik hatten im 2017 mehr als 46 von 100 Einwohnern ein Abo für einen Breitbandanschluss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass meistens mehrere Personen zusammen denselben Anschluss, sprich das selbe Abo, brauchen. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz relativ weit vorne. Im Schnitt haben gut 31 von 100 Einwohnern auf der Welt ein Abonnement für einen Breitbandanschluss.

Ab 2021 alle Gemeinden mit 80 Mbits/s

Immer beliebter wird, dass über das Mobilfunknetz auf das Internet zugegriffen wird. So wie in unserem Fall. Nur ist in städtischen Regionen das Internet häufig schneller als unsere 9 Mbits pro Sekunde. Auf diese Art und Weise haben im Jahr 2017, 98 von 100 Einwohnern auf das Internet zugegriffen. Eine Studie von Glasfaser Schweiz, die im Sommer veröffentlicht wurde, zeigt, dass 99 Prozent der Gebiete in der Schweiz mit mehr als 30M bits pro Sekunde surfen können. In ländlichen Gebieten liege die Versorgung zwischen 90 und 95 Prozent.

Ziel der Swisscom ist es, bis ins 2021 alle Schweizer Gemeinden und rund 90 Prozent der Wohn- und Geschäftsräume mit mindestens 80M bits pro Sekunde zu versorgen. Die Planung laufe, heisst es auf Anfrage. Für die schnellere Verbindung werde das Netz mit der Glasfasertechnologie gebaut. Rund die Hälfte aller Gemeinden im FM1-Land wurden bereits mit dem schnellen Internet versorgt.

Kein «Tatort» oder «Champions League» mehr

In Wattwil sei der Ausbau der Glasfasertechnik im Gange und sollte in den kommenden Wochen fertig sein. Leider gilt das nicht für die Scheftenau, da dies eine Streusiedlung ist. Diese befinde sich ausserhalb der von der Swisscom festgelegten Ausbauzone. Deshalb können dort nicht alle Liegenschaften erschlossen werden. Damit meine Eltern auch in Zukunft am Sonntagabend den «Tatort» und am Mittwoch «Champions League» schauen können, müsse deshalb das Signal per Satellit oder über einen Kabelnetzanbieter empfangen werden.

Auch Alex Hollenstein, Geschäftsleiter der Thurwerke AG in Wattwil sagt: «Das Gebiet Scheftenau ist grundsätzlich von der Swisscom erschlossen und liegt im Stromnetzgebiet der SAK. Ob die SAK in Zukunft eine Kommunikationserschliessung plant, ist uns nicht bekannt.» Es könne aber sein, dass Rohre für Kabel verlegt werden, während des Baus der Umfahrungsstrasse, die auch durch die Scheftenau führt: «Es kann sein, dass dort Synergien genutzt werden und einzelne Liegenschaften erschlossen werden.» Sicherlich könne aber nicht die ganze Scheftenau erschlossen werden.

Das Haus meiner Eltern gehört da wohl nicht dazu. Wie mein Vater sagt, habe er eine Nachricht der SAK bekommen: Die Leitungen würden im Jahr 2037 kommen.

Die tägliche Internetzeit bei Abderhaldens ist wegen fehlenden Netzes nach kurzer Zeit vorbei. Meine Mutter hat dafür im echten Leben ein unglaubliches Slalom-Blatt in der Hand, mein Vater flucht weil die Mutter beim Jassen bereits zum dritten Mal vier Karten weisen kann und ich fluche, weil ich einfach nicht verlieren kann. Aber immerhin hört wegen der Abgeschiedenheit das Fluchen kaum jemand. Das macht die fehlende Internetverbindung wieder wett. Auch den Blick auf die Churfirsten macht keine schnelle Internetverbindung schöner.

(abl)

veröffentlicht: 1. Dezember 2018 11:28
aktualisiert: 29. August 2019 09:15
Quelle: FM1Today

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