Markus Aepli

Das letzte Spiel mit dem Hammer

· Online seit 26.12.2020, 11:31 Uhr
Er ist einer der Letzten seiner Art: Markus Aepli aus Wattwil macht Hämmerlispiele. Die Toggenburger Eigenart wird aber bald nicht mehr vom Handwerker produziert, da er in Pension geht. Wir besuchen ihn bei der Produktion der letzten Exemplare in seiner Werkstatt.
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Hell leuchten die gelben Schindeln des Anwesens von Markus Aepli und dessen hölzerne Eingangstafel mit der Aufschrift «Aepli gmbh» lässt erahnen, womit im Innern des Gebäudes gearbeitet wird. Beim Betreten des Hauses wird der Raum durch einfallende Sonnenstrahlen beleuchtet und tanzende Holzspäne zeichnen lustige Schatten auf die herumstehenden Bretter.

Es ist eine Werkstatt zum Wohlfühlen. Ein harmonisches Chaos in dem trotz vieler herumstehender Maschinen, Werkzeugen, Dosen oder Holzkonstruktionen alles seinen Platz zu haben scheint. Eine Werkstatt mit Hobelbänken und schweren Schubladen, deren Bedienung selbst schon ein Kraftakt zu sein scheint.

Quelle: FM1Today

«Die Individualität macht die Arbeit so schön»

Hinter einem Gestell mit Holzspielsachen und einer Reihe Schraubzwingen taucht ein mittelgrosser Mann in Manchesterhosen, violettem Pullover und beschlagenen Brillengläsern auf. «Die Maske», entschuldigt er sich, nimmt die Brille ab und begrüsst mit einem Schulterzucken. Er führt mich durch das Paradies jedes Tüftlers, dessen tiefen Decken ein heimeliges Gefühl aufkommen lassen. Im Hinterzimmer steht, im Scheinwerferlicht der Sonne, ein fixfertiges Hämmerlispiel – der Grund, weswegen Markus Aepli weit über die Region und die Schweiz heraus bekannt ist, und warum ich ihn besuche.

«So sieht es aus, wenn es fertig ist.» Der 64-jährige Toggenburger fährt mit den Fingern entlang der runden Holzplatte, in dessen Inneren ein eiserner Kreis thront. «Es ist eine Art Flipperkasten», beschreibt der Handwerker das runde Ding, das wie ein Art Labyrinth ausschaut.

Wir steigen über eine enge Treppe ins Untergeschoss, der eigentlichen Werkstätte von Markus Aepli. Dort reiht sich ein Spiel an das andere, jedes auf seine Art einzigartig. «Es ist die Vielfalt, die Individualität, die die Arbeit so schön macht. Ich habe eine so grosse Freude daran, das Spiel zu machen.» Obwohl ich weder Augen noch Mund des Künstlers sehe, verrät die Stimme, dass die Freude echt ist.

30 Jahre alte Schablonen dienen als Grundlage

Seit über 30 Jahren stellt der ehemalige Werklehrer das Hämmerlispiel her – oder wie er es nennt: «Chüngel» aus dem Toggenburg. «Ich glaub, es nennt sich Chüngel, weil die Kugel manchmal wie ein Hase Haken schlägt.» Und schon ist Markus Aepli mitten in der Erklärung des Spiels: «Jeder Spieler erhält einen kleinen Hammer, mit diesem muss er sein Tor durch einen Metallbogen hindurch verteidigen und versuchen, die Kugel in das gegnerische Tor zu spicken», um dieser Abfolge Ausdruck zu verleihen, mimt Aepli mit dem Zeigefinger und Daumen die Spickbewegung. Fein in das Holz eingravierte Zahlen mit Löchern und einem Stück rundem Holz dienen als Punktestandsmessung.

«Dazu gekommen bin ich per Zufall. Ein Freund fragte mich, ob ich das Spiel für ein Spielwarengeschäft herstellen könnte.» Er habe das Spiel zuvor einmal gesehen und sich dann intensiv damit befasst. Schliesslich liessen ihn diese Hämmerlispiele nicht mehr los und begleiten ihn nun schon sein halbes Leben lang.

Markus Aepli zeigt mir 30 Jahre alte Schablonen, durch Tape zusammengehalten, die als Grundlage für das Spiel dienen. Das Klebeband scheint seine Arbeit gerade noch knapp zu erledigen, lange hält es aber vermutlich nicht mehr, muss es auch nicht. Ende Dezember ist Schluss mit Hämmerlispielen – der Handwerker wird 65 Jahre alt und geht in Pension. 

«Es fällt mir schwer, damit aufzuhören, aber es ist an der Zeit. Die Arbeit ist sehr aufwendig und anstrengend und der Erlös im Vergleich zum Aufwand nur gering. Es war stets mehr ein Hobby als eine Einkommensquelle.» Deshalb produziert er jetzt die letzte Serie und wird in Zukunft nur noch seiner zweiten Leidenschaft, der Herstellung von Bilderrahmen, nachgehen.

Hämmerlispiel besteht aus 215 Einzelteilen

Rund einen Tag dauere es, bis ein Spiel fertiggestellt ist, verlangen tut er für ein Exemplar 570 Franken. In einem Jahr produziert Markus Aepli normalerweise rund 20 Stück. «Dieses Jahr habe ich alleine im Dezember schon rund 30 gemacht.» Die Nachfrage sei derzeit gross und deswegen auch die Arbeitsbelastung, obwohl, als eine Last sah Markus Aepli die Produktion nie: «Es ist das Schönste auf der Welt, wenn ich in meiner Werkstatt sein kann, aus dem Fenster die Churfirsten sehe, Musik höre und die rund 215 Teile zusammensetze. Es ist wie Meditation.»

Eifrigen Schrittes verschwindet Markus Aepli im Hinterzimmer und taucht mit einem speziellen Hämmerlispiel aus einem dunklen Nussbaumholz und vergoldeten Spielelementen auf. «Sehen Sie, bei diesem Spiel zeigt die Faserung immer in die gleiche Richtung. Vielleicht bin ich ein bisschen ein Perfektionist, aber ich will das, was ich tue, richtig machen und den Menschen eine Freude bereiten.»

Spiel aus eigenem Kirschbaum

Sich selbst hat Markus Aepli auch schon beschenkt, mit einem Hämmerlispiel aus Holz eines alten Kirschbaumes, der bei seinem Elternhaus stand. «Mit diesem Baum verbinden mich so viele schöne Erinnerungen, die beim Spielen mit der Familie jetzt wieder aufkommen.» Heute noch spielen er, seine Frau und sein Sohn das Spiel regelmässig, wobei er sich einige Tricks aneignen konnte. «Mein Sohn spielt aber immer noch besser.» Übernehmen werde er das Geschäft aber nicht. Vorerst niemand. Hätte aber jemand Interesse, wäre Markus Aepli bereit, sein Wissen und auch seine Schablonen weiterzugeben.

Holzspähne bilden sich dort, wo Markus Aepli ein Loch in eine runde Holzplatte bohrt – in einem der letzten Exemplare aus der Werkstatt des Toggenburgers. Es wird in naher Zukunft keine neuen Hämmerlispiele von Markus Aepli mehr geben, aber die Finesse, Perfektion und Ästhetik dieser Konstruktion und Toggenburger Eigenheit werden in vielen Kinderzimmern, Ludotheken, Vereinen und Stuben weiterleben und schlechte Verlierer wütend machen.

So wie ich eine bin – und während sich Markus Aepli mit den Worten – «Jetzt muss ich Platten polieren, bei Sonnenlicht am Morgen sind allfällige Kratzer besonders gut erkennbar» – wieder seinem Spiel widmet, nehme ich mir vor, bei der nächsten Hämmerlimeisterschaft unseres Turnvereins dem Holzspiel mehr Respekt zu erweisen.

veröffentlicht: 26. Dezember 2020 11:31
aktualisiert: 26. Dezember 2020 11:31
Quelle: FM1Today

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